Ein geräumiges Büro direkt im Reichstagsgebäude - in diesen Genuss kommen nur wenige Mitarbeiter der Parlamentsverwaltung. Thomas Hadamek ist einer von ihnen - aus gutem Grund. "Wir brauchen den kurzen Weg zum Plenum", sagt er. Der Jurist leitet seit 2007 das Referat Parlamentsrecht. Sein Team ist dafür verantwortlich, dass die Sitzungen des Deutschen Bundestags gemäß der Geschäftsordnung vorbereitet und abgehalten werden. "Wir sorgen dafür, dass der Bundestagspräsident die Sitzungen möglichst reibungslos leiten kann", erklärt Thomas Hadamek. Unter anderem bereitet sein Referat die Entscheidungen des Plenums und des Präsidenten vor. Auch was die Redebeiträge betrifft, stehen seine Mitarbeiter beratend zur Verfügung. Wer beginnt, darf ein Volksvertreter unangemeldet an das Mikrofon? "Solche Verfahrensfragen müssen eindeutig geklärt sein, damit die politische Debatte im Vordergrund stehen kann", betont Hadamek. Entschieden werden diese Fragen "nach rechtlichen und pragmatischen Kriterien". Bewährte Abläufe und Gepflogenheiten sind über die Jahrzehnte zu einer gefestigten Parlamentspraxis geworden, die die geschriebene Geschäftsordnung ergänzt: beispielsweise bei der Vereinbarung der Redezeiten, die nach einem festen Schlüssel, der so genannten "Berliner Stunde", zwischen den Fraktionen aufgeteilt werden. "Die Plenarsitzung ist der eigentliche Schlusspunkt unserer Arbeit", erklärt Oliver Borowy, der neben Anja Misselwitz als Referent im Fachbereich tätig ist. Das Aufgabenspektrum beginnt bei der Planung: Das Parlamentssekretariat nimmt die Vorlagen, Anträge und Initiativen entgegen und stellt die Tagesordnung zusammen. So manches Mal ist diese am Ende 20 Seiten stark. In einem solchen Fall wächst das Drehbuch der Sitzung für den Präsidenten - der so genannte Sprechzettel - schon einmal auf 170 Seiten an. In ihm wird von Wolfram Büch etwa minutiös aufgelistet, wie viel Zeit für jede Debatte eingeplant ist und welche Punkte abgestimmt werden müssen. Und wenn Fragen zum Ablauf auftauchen? "Einer von uns ist während der Plenarsitzungen immer im Saal, um in besonderen Fällen den Präsidenten zu unterstützen", sagt Hadamek.
Die Grundregeln des parlamentarischen Miteinanders sind in der Geschäftsordnung niedergeschrieben. Theoretisch könnte jeder neu gewählte Bundestag eine neue Geschäftsordnung beschließen, es gilt der Grundsatz der Diskontinuität. In der Praxis herrscht jedoch eher die Kontinuität des Bewährten. Wenn Fragen auftauchen, die der Recherche und Klärung bedürfen, greift das Team vom Referat PD 2 auch auf seine umfangreiche, von Ursula Scherer geführte Fallsammlung zurück. Wie wurde diese Situation in vorhergehenden Wahlperioden im Plenum gehandhabt? Ein Blick ins Archiv bringt Klarheit. Von der siebten Wahlperiode an sind alle Entscheidungen zum Parlamentsrecht und zur Geschäftsordnung vollständig archiviert. Auch international sind die Erfahrungen des Referats gefragt. Immer wieder informieren sich ausländische Parlamentarier über die Geschäftsordnung des Deutschen Bundestags.
So manches Mal tauchen jedoch auch gänzlich neue Situationen auf. Derzeit beispielsweise stellen sich Verfahrensfragen im Zusammenhang mit der Stammzellendebatte. Im Vorfeld der Entscheidung, ob bei der Forschung mit embryonalen Stammzellen auch weiterhin die so genannte Stichtagsregelung gelten wird, haben sich fraktionsübergreifende Gruppen gebildet. Doch wie hält man es in diesem außergewöhnlichen Fall mit der Verteilung der Redezeit? Die gewohnten Regeln für Regierung und Opposition greifen nicht. Zugleich besitzen die Gruppierungen keine Fraktionsstrukturen, um die Frage unter sich zu klären. Hier unterstützt das Referat Parlamentsrecht die Gruppen bei der Entscheidung über die Abläufe. Vorschriften macht es hingegen nicht. Das sei, so Thomas Hadamek, auch gar nicht seine Absicht und Aufgabe. Er und sein elfköpfiges Team böten "Dienstleistung und keine Belehrung".