Untersuchungsausschuss Die spektakulären Zeugenbefragungen sind längst gelaufen. Ist die Luft also raus? Im Gegenteil. Die Aufklärungsarbeit wirft drängende Fragen auf
Zwei Kampfhähne sind weg. Seit dem Ausscheiden von Thomas Oppermann (SPD-Obmann) und Wolfgang Neskovic (Die Linke) geht es ruhiger zu im Untersuchungsausschuss: kaum noch provozierende Zwischenrufe, vor TV-Kameras keine saftige Polemik mehr. Aber das abflauende Interesse des Publikums dürfte nicht nur mit der faderen rhetorischen Würze zu tun zu haben. Ist aus dem Gremium, das bislang die Fälle Khaled El-Masri, Murat Kurnaz und Mohammed Haydar Zammar prüft, die Luft raus? Oppermanns Nachfolger Michael Hartmann, als Verteidiger der Regierung Gerhard Schröder stärker gefordert als die Union, betont: "Es hat sich gezeigt, dass die Einrichtung dieses Ausschusses eigentlich unnötig war." Nun, das sieht die Opposition natürlich anders.
Für den SPD-Obmann ist klar: "Die bisherige Arbeit hat offenbart, dass die damalige Regierung jederzeit rechtsstaatliche Prinzipien gewahrt hat." FDP-Obmann Max Stadler ortet indes "jenseits des Spektakulären" Erkenntnisse, die helfen könnten, "dass in Zukunft der Anti-Terror-Kampf in rechtsstaatlichen Bahnen bleibt". Ein gemeinsam getragener Abschlussbericht zeichnet sich nicht ab, "die Opposition hat zu viel Kritik zu üben", sagt der Liberale. Jedoch könnten laut Stadler einhellig neue Richtlinien für Behörden beim Vorgehen gegen den Terrorismus entwickelt werden.
Der Kopf von Außenminister Frank Walter Steinmeier (SPD), nach den Attentaten von New York Chef des Kanzleramts, wird gewiss nicht rollen. Und dies nicht nur deswegen, weil er sich wie Ex-Bundesinnenminister Otto Schily (SPD), und Ex-Außenminister Joschka Fischer (Grüne) und die Geheimdienstspitzen im Zeugenstand professionell aus der Affäre zu ziehen wusste: Eine erhebliche persönliche Schuld dürfte schwerlich nachzuweisen sein. Freilich wirft die Aufklärungsarbeit in zentralen Details denn doch brisante Fragen auf. Der Deutsch-Libanese El-Masri wurde von US-Diensten illegal von Mazedonien nach Afghanistan verschleppt, der Bremer Türke Kurnaz saß mehrere Jahre in Guantanamo, der Deutsch-Syrer Zammar, auf US-Veranlassung in Marokko gekidnappt, ist immer noch im "hässlichen Staat Syrien" (Hartmann) eingekerkert. Der SPD-Politiker: "Der wahre Skandal ist bei den USA zu suchen, die beim Anti-Terror-Kampf maßlos vorgegangen sind und rechtsstaatliche Grenzen überschritten haben."
Auch Stadler meint, hiesige Behörden hätten nicht absichtlich bei der Entführung El-Masris mitgewirkt. Dass Schily nach dessen Freilassung die Unterrichtung durch US-Botschafter Daniel Coats für sich behielt und die Staatsanwaltschaft nicht einweihte, findet Hartmann zwecks Sicherung des vertraulichen Informationsflusses zwischen beiden Staaten okay, die Opposition hingegen nicht. Wirklich schlimm ist für Stadler, dass sich die Regierung weigere, die von der Staatsanwaltschaft gegen CIA-Kidnapper ausgestellten Haftbefehle nach Washington weiterzuleiten.
Die Koalition dürfte zufrieden registrieren, dass der Liberale keinen Nachweis einer Verwicklung deutscher Stellen in die Verhaftung von Kurnaz in Pakistan ausmacht. Im Gegensatz zu Hartmann sieht Stadler jedoch anderweitig einen "naheliegenden Zusammenhang": dass nämlich die aus Deutschland in US-Hände gelangten Verdachtsmomente gegen Kurnaz zu dessen Transport nach Guantanamo beigetragen haben könnten. Stadler freut deshalb der Beschluss des Rechtsausschusses, dass künftig solche Informationen nicht zu menschenunwürdiger Haft führen dürfen. Was aus Sicht Stadlers ebenfalls "eigentümlich" ist: Trotz "deutlicher Verdachtsmomente" sei Zammar hierzulande mit einem neuen Pass ausgestattet und dann im Marokko unter US-Ägide festgenommen worden.
Auf welche Sprachregelung wird sich die Koalition zur Entlassung von Kurnaz 2006 einigen? Union und Opposition loben die entsprechende Intervention von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) beim US-Präsidenten. Hartmann will sich "nicht an der Seligsprechung" Merkels beteiligen. Die Freilassung von Kurnaz durch die USA sei "eine Morgengabe" an die neue deutsche Regierung, zu Schröders Zeiten seien noch alle Versuche abgeblockt worden. Stadler findet es "erstaunlich", dass "dem Kabinett Merkel/Steinmeier gelang, was das Kabinett Schröder/Steinmeier nicht gemacht hat".
Besonders der Fall Kurnaz legt ein generelles Problem offen. Der Bremer Türke wurde wie Zammar als "Gefährder" eingestuft. Deswegen verhängte das Kanzleramt 2002 gegen Kurnaz bei einer eventuellen Freilassung aus Guantanamo eine Einreisesperre: Er könne als Türke ja an den Bosporus reisen. Kurnaz ist nun aber "strafrechtlich unschuldig" (Schily), auch gegen Zammar reichte es trotz seiner Kontakte zur Hamburger Terrorzelle nicht zum Haftbefehl. Trotzdem wurde gegen den Bremer ohne Gerichtsurteil eine Sanktion verhängt, Stadler spricht von "Verbannung". Er mahnt, bei der "Gefahrenabwehr" dürfe man nicht wie bei Kurnaz auf einen "vagen Verdacht" hin derart massiv aktiv werden. Bei Gefährdern könne der Staat nicht wegsehen, so Hartmann, doch sei das "Übermaßverbot" zu wahren. Was aber heißt "Verhältnismäßigkeit" (Stadler)? Vermag der Ausschuss da eine kritische Debatte anzustoßen? Karl-Otto Sattler z