Die EU kann nicht bleiben, wie sie ist. Europas Institutionen, einst geschaffen für eine gute Handvoll Mitgliedstaaten, sind schwerfällig und schon lange nicht mehr ausgerüstet für die Aufgaben in einer globalen, modernen Welt. Es gibt zu viele EU-Kommissare, zu wenig Mitspracherechte des Parlaments, im Rat zu viele Veto-Chancen für eigennützige Blockierer, die wichtige Vorhaben in Geiselhaft nehmen und damit Zugeständnisse erstreiten. Außerdem fehlt der EU gerade in der Außenpolitik ein Repräsentant: Die Union hat kein Gesicht.
Die neue Arbeitsgrundlage könnte der EU-Vertrag bescheren, der im Dezember vorigen Jahres in Lissabon unterzeichnet wurde. Doch zunehmend steht in den Sternen, ob das Vertragswerk tatsächlich im Januar 2009 in Kraft tritt. Ratifizierungsprobleme hat nicht nur Deutschland. Auch in Tschechien und Polen gibt es verfassungsrechtliche Bedenken. Und selbst in Irland, einem der größten Profiteure von Europa, ist der positive Ausgang des geplanten Referendums unsicher.
Wer den Vertrag in letzter Minute scheitern lässt, lädt indes eine schwere historische Bürde auf sich. Brüssel stünde vor einem Scherbenhaufen, die Chance wäre vertan, den Club der 27 in eine bessere Verfassung zu bringen. Bis die EU einen neuen Anlauf Richtung Reform wagen würde, vergingen Jahre. So lange würde weiterhin der Vertrag von Nizza gelten. Und der war schon bei seiner Unterzeichnung nichts anderes als ein unbefriedigender, notdürftig zusammengeschusterter Kompromiss.