Das Europäische Parlament und die EU-Kommission sind sich einig, dass es für global operierende, börsennotierte Unternehmen weltweit gültige Buchführungsregeln geben muss. Streit gibt es darüber, in welchem Umfang auch kleinere Firmen diese Vorschriften beachten müssen. Das Europaparlament hat das in der letzten Woche abgelehnt.
"Wir dürfen nicht alle über einen Leisten schlagen", sagte der konservative Europaabgeordnete Othmar Karras in der Debatte des Parlamentes in Straßburg. Nach Ansicht des Berichterstatters, Alexander Radwan (CSU), sind die Regeln für die internationalen Konzerne, IFRS, auch in ihrer vereinfachten Form "zu komplex" für die tägliche Praxis mittelständischer Firmen. Die IFRS werden vom Londoner Kommitte für Rechnungslegungsstandards IASB ausgearbeitet und sind seit 2005 für alle börsennotierten Gesellschaften der EU Vorschrift. Der IASB hat außerdem eine vereinfachte Fassung für kleinere Firmen herausgegeben. Großbritannien und andere EU-Staaten wollen "IFRS-light" als Bilanzierungsstandard anerkennen. Das wollen die Mittelstandspolitiker im EP verhindern. Eine europäische Regelung müsse von der EU-Kommission gemacht werden.
Im Mittelpunkt des Streites steht der in den IFRS gebräuchliche Marktwert ("fair value"). Kleinere Firmen bewerten ihr Vermögen dagegen nach dem Preis, den sie bezahlt haben. Kritiker bringen die Einführung des Marktwertes auch in Zusammenhang mit der gegenwärtigen Krise auf den Finanzmärkten.
Die Bewertung ihres Vermögens zum aktuellen Marktwert habe die Schwierigkeiten vieler Banken erst verschärft. Der Übergang zu den IFRS habe ferner dazu beigetragen, dass sich die US-Finanzkrise auch in Europa ausbreite. Für kleine Firmen sei der Marktwert "mit mehr Bürokratie und zusätzlichen Kosten" verbunden, sagt der Generalsekretär des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks, Hanns-Eberhard Schleyer.