Bislang gehörte das ins Repertoire der Linksfraktion: Anträge, Gesetzentwürfe oder Forderungen aus dem Parteiprogramm der SPD als eigene Vorlagen ins Parlament einzubringen. Jetzt hat auch die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen von diesem Mittel Gebrauch gemacht, um Druck für die Einführung von Mindestlöhnen zu machen. Die Abgeordneten legten die beiden Referentenentwürfe des Bundesarbeitsministeriums zur Reform des Mindestarbeitsbedingungsgesetzes und zur Änderung des Arbeitnehmerentsendegesetzes als eigene Gesetzentwürfe vor. Die sind in der Großen Koalition umstritten. Die Grünen-Abgeordnete Brigitte Pothmer sagte, die Vorschläge von Arbeitsminister Olaf Scholz (SPD) seien "bis jetzt an den ideologischen Hürden im Wirtschaftsministerium gescheitert".
Die SPD reagierte am 24. April im Bundestag leicht verschnupft auf die Initiative des einstigen Koalitionspartners. In der Schule hieße es "Note Sechs wegen Abschreibens", sagte SPD-Arbeitsmarktexpertin Anette Kramme. "Ein wohlmeinender Lehrer würde vielleicht noch enttäuscht hinzufügen: Das hätte ich nicht von euch gedacht", so Kramme weiter. Inhaltlich sei an den Entwürfen "natürlich nichts auszusetzen". Für die Union sagte der Vorsitzende des Arbeitsausschusses, Gerald Weiß, der von den Grünen vorgelegte Text aus dem Hause Scholz sei "nur der erste gute Entwurf", der im parlamentarischen Verfahren noch ausreifen müsse.
Der Entwurf zum Arbeitnehmerentsendegesetz ( 16/8758) nimmt unter anderem Regelungen für den Fall konkurrierender Tarifabschlüsse auf. Für die Allgemeinverbindlicherklärung eines Tarifvertrages für eine Branche sollen danach künftig auch die Bedeutung des tarifschließenden Arbeitgeberverbandes und der Organisationsgrad der tarifschließenden Gewerkschaft berücksichtigt werden.
Ferner müsse geprüft werden, ob das fiskalische Interesse, dass in Vollzeit beschäftigte Arbeitnehmer für ihren Lebensunterhalt ohne ergänzende Hartz-IV-Leistungen auskommen, eingehalten wird. "Die Ausdehnung von Arbeitsbedingungen bei gleichzeitiger Verdrängung niedriger dotierter Tarifverträge ist verfassungsrechtlich zulässig", wird in der Begründung der Gesetzesänderung hervorgehoben.
Der Entwurf zur Reform des Mindestarbeitsbedingungsgesetzes ( 16/8757) soll den Gesetzgeber in die Lage versetzen, Mindestlöhne für solche Branchen festlegen zu können, in denen es weniger als 50 Prozent tarifgebundene Mitarbeiter gibt. Ob Mindestlöhne einzuführen oder Mindestarbeitsbedingungen zu ändern sind, soll ein Hauptausschuss entscheiden. Dieses ständige Gremium soll vom Bundesarbeitsministerium berufen werden und sich aus sechs unabhängigen Experten zusammensetzen, die von den Spitzenorganisationen der Arbeitgeber und den Gewerkschaften eingesetzt werden sollen.