KULTURWIRTSCHAFT
Handlungswille ist da, Wissen fehlt
Es klingt alles noch vage. Von einer "Stärkung ihrer Wettbewerbsfähigkeit" und einer besseren "Ausschöpfung und Entwicklung ihres Arbeitsplatzpotentials" ist die Rede. Ein "hochrangiges branchenweites Auftaktgespräch" wird für den 7. Mai angekündigt, ein "erstes Branchenhearing" vor der Sommerpause. Der erste Bericht über die im Oktober 2007 gestartete "Initiative Kultur- und Kreativwirtschaft" der Bundesregierung, den Vertreter des Kulturstaatsministers Bernd Neumann (CDU) und des Bundeswirtschaftsministeriums dem Ausschuss für Kultur und Medien am 23. April vorlegten, sollte "ein Bericht zum Start der Initiative sein, der vor allem den Wirtschaftsfaktor Kultur deutlich machen soll", wie die Regierungsvertreter betonten.
Die Reaktionen der Fraktionen machten deutlich, dass der Diskussionbedarf über die Kultur- und Kreativwirtschaft sowie die Ausrichtung der Bundesinitiative groß ist. Vertreter der Grünen fragten nach Daten, um die Branchen besser einschätzen zu können. Sozialdemokraten und Die Linke kritisierten, der öffentlich geförderte Kulturbereich komme in der Initiative zu kurz. Die FDP wollte wissen, in welchen Bereichen die Bundespolitik aktiv werden müsse. Die Union nannte den Wirtschaftszweig einen "schlafenden Riesen", der sich stärker der Öffentlichkeit zeigen müsse.
Der Ton des Berichtes und der Diskussion ist symptomatisch für den Umgang mit diesem Wirtschaftszweig. Zwar erschien schon 1992 ein erster Kulturwirtschaftsbericht, aber nur für Nordrhein-Westfalen. Der ermunterte andere Länder zur Nachahmung, aber jedes entwickelte seine eigene Methodik. Auch die Enquetekommission des Bundestages zur "Kultur in Deutschland" widmete der Kulturwirtschaft in ihrem Abschlussbericht Ende des vergangenen Jahres ein eigenes Kapitel. Darin verweist die Kommission auf den starken ökonomischen Wert, den die zu diesem Sektor gezählten Branchen hätten. Die Bundesregierung geht in ihrem Bericht auf die beeindruckenden Zahlen ein: Im Jahr 2004 soll die Kultur- und Kreativwirtschaft demnach mit 58 Milliarden Euro einen größeren Beitrag zur Bruttowertschöpfung Deutschlands beigetragen haben als die chemische Industrie. Ein Jahr später hätten die Branchen sogar Umsätze in Höhe von rund 121 Milliarden Euro erzielt. Zu dem Sektor zählten etwa 210.000 Unternehmen und knapp 1 Million Beschäftigte. Allerdings sei die Quote der Selbständigen mit 25 Prozent außergewöhnlich hoch. Auch die EU hält den Beitrag von Kulturschaffenden an der Gesamtwirtschaft für erheblich. Der europaweite Umsatz habe im Jahr 2003 mehr als 654 Milliarden Euro betragen, heißt es in dem Bericht "Economy of Culture" von 2006. Immerhin 2,6 Prozent habe der Wirtschaftszweig zum Bruttoinlandsprodukt der EU beigetragen. Ein Jahr später hätten fast 6 Millionen Menschen in diesem Bereich gearbeitet.
Doch so einfach, wie sich die Wiedergabe der Statistiken anhört, ist die Einschätzung der Kultur- und Kreativwirtschaft nicht. In Deutschland fehlt es schon an einer bundeseinheitlichen Definition, welche Branchen zu diesem Sektor zu zählen sind. Die Wirtschaftsministerkonferenz der Länder hat im vergangenen Herbst eine Arbeitsgruppe einberufen, die eine Abgrenzung von Kultur- und Kreativwirtschaft auf der Basis von Statistiken erarbeiten soll. Das Resultat soll auf der nächsten Konferenz am 9. und 10. Juni in Regensburg verkündet werden. Für seine im wesentlichen auf kommerzielle Kunst- und Kreativbetriebe ausgerichtete Initiative zählt der Kulturstaatsminister elf Teilbranchen als seine Ansprechpartner auf, darunter Print- und Audioverlage, Computerspieleentwickler und kommerzielle Kunstausstellungen. Die Autoren der EU-Studie schließen Theater, Zirkus, Filmemacher, aber auch Innenarchitekten und Werbetreibende in die Kultur- und Kreativwirtschaft ein. "Es ist relativ schwierig, den Sektor zu umreißen", sagt Marco Mundelios, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung. Zur Kultur- und Kreativwirtschaft gehörten schließlich nicht nur die Privatwirtschaft, sondern auch der öffentlich geförderte Bereich und gemeinnützige Organisationen. In den Statistiken werde bisher aber vor allem der gemeinnützige Zweig vergessen, weshalb etwa Aussagen über Umsätze nicht die gesamte Branche erfassten. Olaf Zimmermann, Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates, weist auf ein weiteres Manko der Statistiken hin: "Wenn man vom großen Zuwachs der Arbeitsplätze in der Kultur- und Kreativwirtschaft spricht, wird oft vergessen, dass es sich dabei um prekäre Beschäftigungsverhältnisse handelt."
Deswegen seien vor allem Antworten auf Fragen nötig, die
arbeitsrechtliche Probleme lösten, so Zimmermann. Die
Regierung hebt in ihrem Bericht für den Kulturausschuss unter
anderem auf Maßnahmen hervor, die Unternehmensgründungen
erleichtern sollen, etwa das Anfang des Jahres eingeführte
"KfW-StartGeld", das sich an kleine Unternehmen und Freiberufler
richtet, die ein Darlehen von maximal 50.000 Euro benötigten.
"Ich hoffe, dass sich die Initiative nicht in Förderprogrammen
und Ministerauftritten erschöpft", sagt Zimmermann. Wichtiger
seien etwa ein funktionierendes Urheberrecht und ein Festhalten an
der Künstlersozialkasse. "Ein guter Satz im Sozialrecht ist
mehr Wert als alle Förderprogramme."