NPD
Experten befürchten, dass sich die rechtsextremistische Partei im Osten der Republik festsetzt
Lange Zeit war sie politisch scheintot. Doch nun ist sie wieder auferstanden aus Ruinen und der Vergangenheit zugewandt: die NPD. Ihr Einzug in die zwei ostdeutschen Landtage von Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern bereitet Demokraten Unbehagen. Der Bonner Politikwissenschaftler Harald Bergsdorf bietet in seinem kompakten Buch "Die neue NPD" dem politisch interessierten Bürger eine leicht lesbare Darstellung von Geschichte, Ideologie und Organisation dieser Partei.
Nach ihrer Gründung 1964 und der nicht allzu lange anhaltenden Zugehörigkeit zu gleich sieben westdeutschen Landtagen Ende der 60er-Jahre führte die rechtsextreme NPD lange Zeit ein Schattendasein. Die Zahl der Mitglieder war von fast 30.000 im Jahr 1969 auf rund 3.000 im Jahr 1996 gesunken. Die Wende kam Mitte der 90er-Jahre mit einer programmatischen Neuausrichtung durch den heutigen Bundesvorsitzenden Udo Voigt. Und das bedeutete vor allem eine Radikalisierung in Richtung Nationalsozialismus. Das zeigt sich unter anderem in rassistischer und offen verfassungsfeindlicher Denkart. So heißt es beispielsweise in einer NPD-Broschüre: "Ein Negrider, Mongolider, Australider oder Indianider wird nie Deutscher werden können, weil die Verteilung bunt bedruckten Papiers, in Form eines BRD-Passes, ja nicht die biologischen Anlagen verändert." Angehörige "anderer Rassen" blieben deshalb in Deutschland "immer Fremdkörper".
Seit Voigt das Ruder in der Hand hat, engagiert sich die Partei besonders stark auf dem Gebiet der neuen Länder. Wie Bergsdorf überzeugend erläutert, findet sie dort stärker als im Westen "geistig-moralische Milieus, die Rechtsextremismus samt Fremdenfeindlichkeit und Gewalt begünstigen oder gar fördern". Dabei könnten diese sich einer offenen, halboffenen und verdeckten Zustimmung in der Bevölkerung sicher sein. In der Schlussfolgerung, die Bergsdorf aus dieser soziologischen Beschreibung zieht, stellt er dem Zustand der Zivilgesellschaft im Osten ein schlechtes Zeugnis aus: "Während die NPD im Westen als geächteter Außenseiter agiert, sind in Teilen des Ostens eher ihre Gegner isoliert."
Die Ursachen für diese Verhaltensweisen liegen laut Bergsdorf zu einem großen Teil in der SED-Diktatur. Die notwendige Bedingung für Demokratie, die Achtung vor der Pluralität der Bürgerschaft, war dort nicht gegeben, sondern wurde im Staate Ulbrichts und Honeckers bekämpft. Entgegen den öffentlichen Verlautbarungen vom Frieden und der Völkerfreundschaft lebte die Mehrzahl der ausländischen Vertragsarbeiter im SED-Staat isoliert. Schwangerschaft ausländischer Arbeiterinnen war ein Vergehen: Entweder mussten sie abtreiben oder das Land verlassen. An diese mentalen Hinterlassenschaften knüpft die NPD an, auch bedient sie geschickt DDR-nostalgische Stimmungen.
Angesichts dieser Situation plädiert Bergsdorf in einem Zwölf-Punkte-Programm für eine Auseinandersetzung mit der neuen NPD und gibt Ratschläge. So argumentiert er dafür, bestimmte Themen nicht allein den Rechtsextremisten zu überlassen, sondern sich mit ihnen offensiv auseinanderzusetzen und in einem demokratischen Sinne zu beantworten. Um die NPD nicht salonfähig zu machen, sollte es keine Kooperationen mit den Antidemokraten geben. Das erfordere eine klare Grenzziehung zum Rechtsextremismus durch die demokratischen Parteien, die notfalls Mitglieder ausschließen sollten, wenn diese sich nicht daran halten.
Einen erneuten Verbotsantrag hält Bergdorf jedoch nicht für das richtige Mittel, da hierdurch die verschiedenen gesellschaftlichen Ursachen nicht zum Verschwinden gebracht werden. Vielmehr plädiert er für eine Stärkung der Zivilgesellschaft: eine Erziehung zu demokratischen Grundwerten in Schulen und Elternhäusern.
Zu vergleichbaren Ergebnissen kommt auch das Buch "Die NPD" von Uwe Backes und Henrik Steglich. Die beiden Dresdener Politikwissenschaftler wenden sich mit ihrer Aufsatzsammlung jedoch eher an ein wissenschaftlich interessiertes Publikum. Untersucht werden Rahmenbedingungen, Strategien, Umfeld und Ideologie.
Patrick Moreau analysiert die Rechte unter vergleichender Perspektive in Europa und erinnert daran, dass Rechtsextremisten seit 1945 in fast allen europäischen Gesellschaften Wahlerfolge erzielt haben. Auch wenn bislang noch in keinem Fall die Machtübernahme erfolgt ist: Für eine Unterschätzung des Einflusses dieser Parteien besteht kein Anlass. Im Vergleich mit europäischen Ländern und Regionen wie Flandern, Italien und Österreich, wo die Ultrarechten zu Dauerhaften Akteuren im politischen System geworden sind und den etablierten Parteien das Leben schwer machen, scheint die NPD nach Einschätzung des französischen Politologen in Deutschland von ähnlichen Erfolgen noch weit entfernt zu sein. Und in bestimmter Hinsicht ist er - sicherlich zu recht - optimistisch, wenn der diagnostiziert, dass in den europäischen Rechtsstaaten rechtsextremistische Subkulturen, Neonazi- oder Skinheadgruppen keine Chance gegen den Staatsapparat haben, wenn dieser seine Verteidigungsinstrumente einsetzt.
Bei der Untersuchung der Ursachen für die politischen Zugewinne kommt Steglich zu dem wenig beruhigenden Ergebnis, dass die NPD nicht mehr von den Themen wie "Ausländer" und "Kriminalität" abhängig ist, sondern sich neue Debattenfelder wie Anti-Globalisierung und Sozialpolitik erschließt. Dies "könnte sie zur ersten Rechtsaußenpartei im wiedervereinigten Deutschland machen, die nicht mehr nur sporadische Wahlerfolge erzielt".
Inzwischen baut die Partei ihre Hochburgen in Sachsen immer weiter aus, stellt Timm Spier in einem zum Teil umständlich formulierten Aufsatz fest. Dabei gebe es größere Unterschiede zwischen Regionen mit stärkeren und schwächeren Stimmenanteilen, ein Trend, der sich fortsetze. Interessant ist die Feststellung Spiers, dass - entgegen einer verbreiteten Ansicht von der Verliererpartei - folgendes gilt: Ist in einer Gegend bei den Beschäftigten der Anteil von Jüngeren, Männern und Arbeitern hoch, dann profitiert davon die NPD. Vermutlich gebe es einen Zusammenhang zwischen dem Wahlverhalten und einer in dieser Gruppe verbreiteten autoritären Grundeinstellung.
Die Hoffung auf ein baldiges Verschwinden der NPD hält Lazaros Miliopoulos nicht für begründet. Vielmehr sieht er Tendenzen für eine dauerhafte Präsenz der Partei, wozu auch der demografische Wandel beiträgt.
Eine Aussicht in die Zukunft bietet der Landkreis Uecker-Randow in Mecklenburg-Vorpommern. Dort stehen 100 Männern im Altern von 20 bis 35 Jahren lediglich 74 gleichaltrige Frauen gegenüber. Und die NPD fuhr bei der letzten Landtagswahl im Jahr 2006 ein Rekordergebnis von mehr als 25 Prozent Wählerstimmen ein.
In einer typologischen Untersuchung kommt der Mitherausgeber des Buches, Uwe Backes, zu dem Ergebnis, dass es sich bei der NPD um eine Neo-Nazi-Partei handelt: "Ihre Affinität zur NS-Ideologie erscheint unübersehbar, zumal die Partei kaum politische Mimikry praktiziert." Einen dauerhaften Erfolg in Deutschland hält der stellvertretende Direktor des Dresdener Hannah-Arendt-Instituts deshalb für unwahrscheinlich. Der nicht zu verbergene "dogmatisch-extremistische Kern" hindere die Partei daran, eine Sammlungsbewegung für andere Fraktionen im rechtsextremen Lager zu werden.
Die neue NPD. Antidemokraten im Aufwind.
Olzog Verlag, München 2007; 160 S., 14 ¤
Nomos Verlag, Baden-Baden 2007; 426 S., 49 ¤