Globalisierung
Von der Schwierigkeit eine befriedende Weltgesellschaft zu schaffen
Der Titel suggeriert Unheilvolles. Die Apokalypse scheint nicht mehr aufzuhalten angesichts eines bedrohlich instabilen Weltsystems, kollabierender Finanzmärkte und einem rasant wachsenden Energiebedarf mit allen zu erwartenden Konflikten, wenn nicht sogar Kriegen um die letzten Öl-und Gasreserven. Hinzu kommen die von Politikern in aller Welt sträflich unterschätzten Folgen des Klimawandels in Gestalt von Naturkatastrophen, wie sie heute schon wüten. Zum ungelösten Armutsproblem in den Entwicklungsländern ist, hervorgerufen durch neue Ungleichgewichte in der Ära des globalen Wachstums, eine zunehmende Verarmung der Mittelschichten in den Industrienationen zu beobachten.
Fürwahr, ein düsteres Szenario, das die beiden Autoren Christiane Grefe und Harald Schumann in akribischer Fleißarbeit und mit einer erstaunlichen Fakten- und Datenfülle in ihrem Band über die Zukunft der Globalisierung entwerfen. Dabei führen die Recherchen nicht in allen Themenbereichen zu überraschenden Erkenntnissen; wird doch die Verletzbarkeit der globalisierten Ökonomie - siehe Bankenkrisen - immer offensichtlicher, und dass der schwerfällige UN-Apparat sich selbst blockiert und existenzielle Entscheidungen verschleppt, markieren Massaker und Völkermorde als Tiefpunkte des Versagens dieses Fossils der Nachkriegszeit. Kein Grund zur Hoffnung also, die globalen Institutionen könnten tatsächlich die Aufgaben bewältigen, für die sie geschaffen wurden.
Aber gerade bei der Auseinandersetzung mit den Vereinten Nationen ist die "Beweisführung" der Autoren nicht immer stringend. Denn dem katastrophalen Versagen der Uno stellen sie gleichzeitig eine Erfolgsbilanz bei der Bekämpfung von Armut und Krieg gegenüber. So hätten zwischen 2005 und 2007 die Nahrungsmittellieferungen der UN-Organisationen 80 bis 100 Millionen Menschen jährlich vor dem Hungertod gerettet.
Wahrscheinlich liegt der Widerspruch dem UN-System zugrunde: Die von den dominierenden Großmächten herbeigeführte Hilflosigkeit der Weltorganisation verhindert nicht, dass ihr die Bürger weiter vertrauen. Ob das daran liegt, das die Zahl der Analphabeten sinkt und innerhalb von fünf Jahren bis 2004 rund 135 Millionen Menschen der Armut entkommen sind? Auch nehme die Internationalisierung der Politik zu, schlussfolgern die Autoren, obwohl die Reform der traditionellen Organisationen schleppend vorangehe. Die globale Vernetzung zwinge Politikern und Ökonomen eine planetare Perspektive auf.
Die stärksten Kapitel sind jene, die sich mit der Klimapolitik, der Summe ihrer Fehler und dem späten Beschreiten neuer Wege beschäftigen. Die Beispiele häufen sich, dass der Klimawandel alle Menschen verbindet und gerade jene seine ersten Opfer sind, die ihn am wenigsten zu verantworten haben. Das Krisengebiet Darfur zeigt am erschreckendsten, wie die Stellvertreterkriege um Bodenschätze jederzeit eskalieren und ihre Brandherde sich immer weiter fressen. Weitere Brennpunkte für mögliche Krisen werden aufgelistet, die von der Ressourcen-knappheit hervorgerufen werden. Sie er-strecken sich von Afrika über China bis nach Amazonien, wo die Regenwälder vom Kollaps bedroht sind.
Dass die Politiker sich selbst Fesseln angelegt haben, belegen die Autoren am Modell Deutschland, wo vier Konzerne über das gesamte überregionale Stromnetz gebieten und die Bedingungen diktieren. An echtem Wettbewerb besteht kein Interesse und dementsprechend groß ist der ökologische Schaden. Ein konkretes Beispiel von vielen, die die Stärke des Buches ausmachen.
Seine Schwächen offenbart es dort, wo Antworten erwartet werden: Dass die USA im "Gestern verharren", wird zwar klug analysiert und begründet, doch was wiederum Europa befähigt, beim Aufbau einer befriedeten Weltgesellschaft voranzugehen, bleibt in der Bilanz zu vage.
Der globale Countdown.
Kiepenheuer & Witsch, Köln 2008; 458 S., 19,95 ¤