WAHLKAMPFFINANZIERUNG
Barack Obama verzichtet auf den Zuschuss aus Steuergeldern, John McCain nicht
Der Wahlkampf 2008 wird rund 1,5 Milliarden Dollar kosten. Die Summe umfasst die Vorwahlen, das Rennen um das Weiße Haus sowie um alle anderen Ämter, die am 4. November vergeben werden. Dazu zählen die 435 Abgeordneten des Repräsentantenhauses, 35 der hundert Senatoren, elf der fünfzig Gouverneure der Bundesstaaten und Tausende Ämter in Regionen und Kommunen, von Landtagsabgeordneten über Amtsrichter bis zu Kammerjägern. Sie alle müssen ihren Wahlkampf selber finanzieren. "To run for office", die Direktwahl in ein öffentliches Amt, gilt in den USA als freiwilliger Dienst an der Gemeinschaft, nicht als Pflichtbereich des Steuerzahlers. Der Oberste Gerichtshof der USA hat Wahlkampfspenden als freie Meinungsäußerung eingestuft. Damit sind sie verfassungsgeschützt und dürfen vom Staat nicht eingeschränkt werden.
1974 beschloss der Kongress zwar, den Einfluss privater Großspender auf Bewerber für das Weiße Haus und den Kongress durch einen staatlichen Wahlkampffonds zu begrenzen. Legal war das nur, weil der Fonds freiwillig von Steuerzahlern gefüllt wird, die das für eine gute Idee halten. Sie kreuzen das auf ihrer Steuererklärung an. Rund 33 Millionen Amerikaner geben diese drei Dollar pro Jahr.
Seither gilt: Hat ein Bewerber 100.000 Dollar eingeworben, rundet der Staat alle in der Summe enthaltenen Kleinspenden auf je 250 Dollar auf - bis zu einer Höchstgrenze pro Bewerber. Die beträgt 25 Millionen Dollar für Urwahlen, 15 Millionen für den Nominierungsparteitag, und 82 Millionen für die "general election" der nominierten Präsidentschaftskandidaten. Die bekommen das Geld freilich nur, wenn sie auf private Spenden vom Tag ihrer Nominierung an verzichten und alle privaten Zuwendungen aus der Zeit davor bis dahin ausgegeben haben. John McCain hat diesen Weg gewählt wie alle Bewerber seit 1974. Barack Obama verzichtet als Erster auf den Zuschuss aus Steuergeld. Der Fonds verhinderte nicht, dass Industrie, Gewerkschaften und Lobbyisten Kandidaten weiter massiv unterstützten. Deshalb setzten John McCain und der Demokrat Russ Feingold 2002 eine Höchstgrenze von zweimal 2.300 Dollar pro Spender durch. Verfassungsrechtlich war das eine schwierige Operation. Nun darf ein Bürger je 2.300 Dollar für die Urwahl und die "general election" eines Wunschkandidaten geben. Spenden juristischer Personen an Kandidaten sind seither untersagt. Aus ihrem Privatvermögen dürfen sich Bewerber unbegrenzt finanzieren. Hillary Clinton überwies sich 11 Millionen Dollar für die Vorwahlen. Manche Konzerne, heißt es, legen ihren Beschäftigten die Privatspende für bestimmte Kandidaten nahe. Vorgesetzte können das nachprüfen, Spenderlisten sind öffentlich. Firmen dürfen zudem weiter an Parteien spenden, dabei allerdings nicht vorgeben, wer das Geld bekommt. Bei Parteien gilt ein Limit von 65.500 Dollar pro Spender und Wahlkampfjahr. Davon können 42.700 Dollar an Parteigliederungen gehen, und 22.800 an "Politische Aktionskomitees" (PAC). Von den 42.700 Dollar dürfen nur 10.000 Dollar an einen einzelnen Landes- oder Ortsverband fließen. So soll verhindert werden, dass Interessenten indirekt ihren Wunschkandidaten helfen. Firmen oder Gewerkschaften können gewünschte politische Inhalte per Spende an ein PAC fördern. Dabei gilt ein Jahreslimit von 5.000 Dollar pro Spender. Das PAC darf damit nur Inhalte bewerben, keine Personen. Parteiflügel machen davon gern Gebrauch. Spenden an Parteien oder PACs sind freilich nicht steuerlich abzugsfähig. Zuwendungen an Gruppen nach Paragraf 527 US-Gesetzbuch sind es dagegen. Der Oberste Gerichtshofs betrachtet die "527er Organisationen" als Zusammenschluss freier Bürger für die freie Rede. Nichtjuristischen Personen ist der Weg versperrt, Privatspenden aber sind unbegrenzt steuerlich abzugsfähig. Die "527er" dürfen zwar ebenfalls keine Kandidaten unterstützen. Aber sie haben Geschick entwickelt, TV-Botschaften so zu formulieren, dass klar ist, wen sie meinen. Barack Obama will McCain allein mit seinen über 1,7 Millionen Kleinspendern besiegen, ohne Hilfe aus dem Wahlkampffonds, von PACs oder "527ern". Er nennt das lobbyfreien Wahlkampf. Natürlich geben ihm auch Mitarbeiter von Lobbyfirmen Geld. In der Summe bilden sie seine dritthöchste Spendergruppe. Doch sie spenden eben nicht als Firma. Obamas Pool ist ein Beispiel dafür, wie man Wähler für Demokratie begeistern kann. Was aber wäre, wenn ein Demagoge so vorginge? Der Hassprediger Father McCoughlin mit seinem Masseneinfluss in den 1930er Jahren kann als warnendes Beispiel dienen.
Der Autor ist USA-Korrespondent bei der Zeitung "Die Welt"