KRANKENVERSICHERUNG
Großes Thema im Wahlkampf
Der Vorsitzende der amerikanischen Zentralbank, Ben Bernake, nannte "die Verbesserung des Gesundheitssystems" unlängst "eine der größten Herausforderungen, vor der das amerikanische Volk steht". Der oberste Währungshüter nannte drei Felder, die es zu bestellen gelte: Der Zugang zu einer Krankenversicherung müsse verbessert werden, damit möglichst viele der schätzungsweise 47 Millionen nicht versicherten Amerikaner Leistungen von Ärzten und Krankenhäusern in Anspruch nehmen können; darüber hinaus müsse die Qualität der Gesundheitsdienstleistungen weiter gesteigert werden. Schließlich müssten auch Wege gefunden werden, um die Kostenexplosion im Gesundheitswesen in den Griff zu bekommen. "Die Kosten hierzulande sind höher, als sie es sein müssten", sagt Bernanke. Als Notenbanker ist er um Überparteilichkeit bemüht; er stellt sich nicht auf die Seite eines Präsidentschaftskandidaten.
Zu den Programmen John McCains und Barack Obamas gehören detaillierte Pläne für eine Gesundheitsreform. Das Thema zählt sogar zu den wichtigsten im Wahlkampf. Doch die Vorschläge des Demokraten Obama und des Republikaners McCain zum Umbau des US-Gesundheitswesens könnten verschiedener nicht sein. In ihnen spiegeln sich ideologische Unterschiede, die Skepsis bezüglich des freien Marktes auf der Seite Obamas, und der tiefe, unerschütterliche Glaube an den Kapitalismus bei McCain. Obama geht zwar nicht ganz so weit wie Hillary Clinton, die ihm im Rennen um die Kandidatur über Monate einen formidablen Kampf geleistet hatte. Sie war während der Amtszeit ihres Mannes mit einer ehrgeizigen Gesundheitsreform gescheitert. Nun wollte sie eine verpflichtende Grundabsicherung für alle Amerikaner. Obama hingegen will die Versicherungspflicht nur für Kinder und Jugendliche. Erwachsene sollen leichteren Zugang zu einer Krankenversicherung unter anderem dadurch erhalten, dass sie nicht mehr aufgrund von bestehenden Krankheiten abgelehnt werden können. Und er will Ärmeren finanziell helfen, eine Police abzuschließen. Arbeitgeber, die ihren Beschäftigten keine Versicherung anbieten, sollen nach dem Plan des Demokraten in einen staatlichen Topf einzahlen, aus dem Familien Unterstützung für Versicherungsbeiträge gewährt wird.
McCain hingegen lehnt eine Pflichtversicherung kategorisch ab. Der Republikaner will stattdessen Steuerfreibeträge von bis zu 5.000 Dollar im Jahr einrichten, damit Familien sich eine Krankenversicherung leichter leisten können. Er will die Rechte der Patienten stärken und über einen stärkeren Wettbewerb die Kosten drücken, nicht zuletzt die der Arzneimittel. Zusammen mit den Bundesstaaten will McCain nach Wegen suchen, auch jene zu versichern, die derzeit von den privaten Gesellschaften abgelehnt werden.
Die Zeit für eine umfassende Gesundheitsreform in Amerika scheint günstig wie lange nicht, vielleicht sogar wie nie zuvor. Der Druck der Straße ist groß. Viele Amerikaner sind in Sorge um ihre Krankenversicherung, zumal mehr und mehr Arbeitgeber die schnell steigenden Beiträge zum Anlass nehmen, ihr Angebot zurück zu schrauben. Ein Präsident Obama hätte es wohl leichter als McCain, eine Einigung mit dem demokratisch beherrschten Kongress zu finden. Eine beschlossene Sache ist die Krankenversicherung für alle aber noch nicht. In Kalifornien ist kürzlich der republikanische Gouverneur Arnold Schwarzenegger mit dem Plan für eine Pflichtversicherung an den Demokraten gescheitert. Ihnen waren die Kosten zu hoch.
Der Autorin ist USA-Korrespondentin der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung"