Gemessen an der Stimmung ist es ein Wunder, dass sich ein Republikaner Chancen auf das Weiße Haus ausrechnet. Über 80 Prozent meinen, Präsident Bush habe das Land in die falsche Richtung geführt.
Dennoch liegt John McCain in den Umfragen fast gleichauf mit Barack Obama. Das hat nur einen Grund: John McCain. Seit Beginn seiner Karriere beugte er sich selten Regeln. Vater und Großvater waren Admirale, John war ein renitenter Midshipman in der Marineakademie von Annapolis. Als Kriegsgefangener in Vietnam ertrug er Folter und schlug das Angebot aus, vor seinen Kameraden entlassen zu werden. Als Senator von Arizona brachte er Parteifreunde gegen sich auf, weil er Gesetze mit den Demokraten ausarbeitete. Was ihm an Charisma fehlt, macht er mit unerschrockener Politik wett. Das schätzen seine Wähler.
Seine deutlichen Worte gegen das russische Vorgehen in Georgien haben ihm Sympathien eingetragen. In den darauf folgenden Umfragen lag McCain plötzlich gleichauf mit Barack Obama, in einer der Erhebungen führte er sogar. Außenpolitische Krisen nützen offensichtlich McCain und nähren Zweifel an Obama wegen dessen geringerer Erfahrung. Parallel zu Georgien bereitet Pakistan nach dem Sturz Präsident Pervez Musharrafs den USA Sorgen.
McCains Alter wird allerdings immer mehr zum Manko. Häufig verspricht sich der 72jährige, verwechselt Sunniten und Schiiten oder redet über die irakisch-pakistanische Grenze (die es nicht gibt). Das weckt Zweifel an seiner Fitness und untergräbt seinen Ruf als Außenpolitiker. Auch sein aufbrausendes Temperament ist nicht nur bei seinen Gegnern gefürchtet.
Die größte Herausforderung ist jedoch der rechte Flügel der Republikaner. Dort halten ihn viele für zu moderat. Die Wahlkampfslogans vermarkten McCain als den "originalen Querdenker", doch die Konservativen haben ihm sein "originelles Querdenken" noch nicht vergeben. Zum Ärger von Parteifreunden kämpfte er für Reformen des Wahlkampfspendensystems (erfolgreich) und des Einwanderungsrechts (gescheitert).
Zwei wichtige evangelikale Pastoren nannte er "Agenten der Intoleranz". Im Wahljahr betont er seine konservativen Werte, aber die religiöse Rechte traut ihm noch nicht. Unklar ist auch, wie die Wähler seine Haltung im Irakkrieg bewerten. Die Mehrheit will ein Ende, aber zugleich, dass die USA als Sieger abziehen und die erreichte Stabilisierung nicht verspielen. McCain war ein strammer Kriegsbefürworter, das kann Stimmen kosten. Er unterstützte aber auch die Truppenverstärkung, die zur Stabilität führte; das kann Stimmen bringen.
Sein Eingeständnis, er verstehe nichts von Wirtschaft, ist ein Problem. Hohe Benzinpreise, steigende Lebenskosten, Jobverluste und die Immobilien-Krise machen die Wirtschaft zum wichtigsten Thema. John McCain möchte vor der US-Küste verstärkt nach Öl und Gas bohren und in der Steuerpolitik Bushs Entlastung für Reiche beibehalten.
Das nutzt Obama zu Angriffen: McCain sei der Erbe des unbeliebten Präsidenten. Bisher scheint das die "Blue collar"-Wähler in entscheidenden Arbeiterstaaten wie Ohio und Pennsylvania nicht von McCain abzuschrecken.