Kinderarmut
Experten fordern grundlegendes Umsteuern
Der Ruf nach einer besseren Bekämpfung von Kinderarmut wird lauter. In einer öffentlichen Anhörung der Kinderkommission am 5. November sprachen sich mehrere Experten für ein grundlegendes Umsteuern aus. Die Geschäftsführerin des Zukunftsforums Familie, Barbara König, plädierte für die Einführung einer eigenständigen Kindergrundsicherung. "Ein solcher Schritt braucht politischen Mut", sagte sie. Das Ausmaß der Kinderarmut zeige aber, dass die derzeitige "Zerstückelung" familienpolitischer Leistungen zu wenig gebracht habe. König fügte hinzu, in Sozial- und Familienverbänden würden derzeit Beträge von 300 bis 450 Euro monatlich als Kindergrundsicherung diskutiert.
Auch die wissenschaftliche Referentin beim Bundesverband alleinerziehender Mütter und Väter, Sabine Schutter, äußerte ihre Zustimmung zu einer Kindergrundsicherung. Diese müsse aber bedarfsunabhängig ausgestaltet werden. Der Professor für Sozialwesen an der FH Erfurt, Ronald Lutz, sagte, eine Kindergrundsicherung müsse sich am tatsächlichen Bedarf der Kinder orientieren und die bisherigen Transferleistungen zusammenfassen.
Vom Versuch der besseren Vernetzung im Kampf gegen Kinderarmut berichtete die Jugendamtsleiterin der nordrhein-westfälischen Stadt Monheim, Annette Berg. Im Rahmen des Netzwerkes "Mo.Ki - Monheim für Kinder" sei die Kinder- und Jugendhilfe vor Ort systematisch umgebaut worden - weg von der Reaktion auf Defizite hin zur Prävention, betonte Berg. Ziel sei es, möglichst vielen Kindern eine erfolgreiche Entwicklungs- und Bildungskarriere zu eröffnen.
Die familienpolitische Referentin des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, Marion von zur Gathen, forderte eine Änderung der Ermittlung von Kinderregelsätzen im Bereich von Arbeitslosengeld II und Sozialhilfe. Deren Ableitung vom Erwachsenenregelsatz sei nicht sachgerecht. In den Bereichen Ernährung, Bekleidung, Gesundheit und Bildung hätten Kinder andere Bedürfnisse als Erwachsene. Statt der gegenwärtigen Regelsätze in Höhe von 211 bis 281 Euro seien solche in Höhe von 276 bis 358 Euro notwendig, betonte zur Gathen. Wie der Leiter des Bereichs Arbeitsmarktpolitik beim DGB-Bundesvorstand, Wilhelm Adamy, urteilte sie, dass die Anhebung der Regelsätze anhand des aktuellen Rentenwertes nicht angemessen sei.