KORRESPONDENTEN
Eine Studie über Arbeitsbedingungen und journalistischen Alltag
Die Wahl des neuen US-Präsidenten ist alle vier Jahre ein Thema, bei dem die Auslandskorrespondenten gut zu tun haben. Wie auch schon bei den vergangenen Wahlen hatten sie diesmal wieder so gut zu tun, dass zum Beispiel ARD und ZDF noch ordentlich Unterstützung in die amerikanische Hauptstadt schickten: Tom Buhrow und Claus Kleber waren vor Ort, auch der Presseclub traf sich am Sonntag vor der Wahl in Washington. Die USA-Korrespondenten von "taz", "FAZ", "Handelsblatt" und "Stern" analysierten den Machtkampf ums Weiße Haus.
Im Vergleich zu Korrespondenten in anderen Teilen der Welt kommen USA-Korrespondenten in deutschen Medien besonders häufig zu Wort. Das ist bekannt. Interessant ist es im direkten Vergleich mit anderen Regionen der Welt dennoch. Diesen Vergleich liefert "Nachrichtenwelten", ein Buch, das verspricht, den Leser hinter die Kulissen der Auslandsberichterstattung zu führen. Drei Berichtstgebiete hat Angela Dreßler für ihre ethnografische Untersuchung ausgewählt, in jeweils einem Kapitel stellt sie die Besonderheiten der Berichterstattung über Südostasien, die USA und Israel heraus. Dreßler lenkt den Blick dabei vor allem auf die Korrespondenten.
Mit Südostasien, genauer gesagt mit den Korrespondenten in Singapur, beginnt sie ihre Beschreibungen. Als ein Merkmal der Berichterstattung über die "weite Welt", wie sie das Kapitel wohl im Hinblick auf das riesige Berichtsgebiet überschreibt - es reicht teilweise von Afghanistan bis Australien -, identifiziert die Autorin einerseits die Freiheit der Korrespondenten in ihren Themenvorschlägen. Andererseits seien die Themen für die heimischen Redaktionen häufig wenig relevant, vor allem wenn es um aktuelle Berichterstattung gehe. "Außer SARS, außer dem Bali-Attentat oder der Ablösung einer Regierung hält sich der Aktualitätsdruck in Singapur in Schranken, gibt es keine Themen, die für alle ein Muss-Stoff, Pflicht sind", beschreibt Dreßler die Situation.
Einen starken Kontrast setzt die Autorin mit ihrer zweiten Station. Das Privileg des Unwissens in der Heimatredaktion, von dem ein Korrespondent in Japan profitierte, kann Dreßler im Fall der USA nicht bestätigen. Vielmehr sei es "wie beim Fußball, da gibt's 80 Millionen Bundestrainer zuhause", zitiert die Autorin einen Korrespondenten. So wie der Trainer sähe sich auch der Korrespondent "den Interessen der Redaktion gegenüber", die mit seinem Eindruck von vor Ort kollidieren können. Irgendwann gehe es nur noch darum, Vorurteile zu reproduzieren, bringt ein Korrespondent seinen Unmut auf den Punkt. An Stellen wie dieser hätte man sich als Leser für die Perspektive der Redaktionen interessiert.
Das dritte Berichtsgebiet, das Dreßler unter die Lupe nimmt, ist Israel. Das Problem liege dort in der besonders großen Aufmerksamkeit. Das beschreibt Dreßler als ebenso schwierig wie das geringere Interesse am Berichtsgebiet Südostasien. Oft sähen sich die Korrespondenten nicht nur einer bestimmten Erwartungshaltung der Redaktionen gegenüber, sondern auch einer unübersichtlichen Nachrichtenlage, über die - außer in bekannten Mustern - schwer zu berichten sei: "Neues zu beschreiben und keine Worte dafür zu haben, weil sie auf Bestehendes zurückgreifen müssen, um sich verständlich zu machen", bringt Dreßler den Zwiespalt der Korrespondenten auf den Punkt.
Durch genaue Beobachtung und unprätentiöses Erzählen lässt Dreßler den Leser am Korrespondenten-Alltag teilhaben. Man spürt, mit welchem Enthusiasmus und Interesse sie um die Welt gereist ist, um Auslandsberichterstatter kennen- und ihre Arbeitsbedingungen verstehen zu lernen. Sie ist eingetaucht in den Alltag der Journalisten, hat beobachtet und Interviews mit 26 Korrespondenten und zwei Producern von Rundfunk- und Printmedien geführt. Das Ergebnis liest sich nicht nur gut, sondern ist auch lesenswert. Der angekündigte Blick hinter die Kulissen gelingt.
Nachrichtenwelten Hinter den Kulissen der Auslands- berichterstattung.
Transcript Verlag, Bielfeld 2008; 268 S., 27,80 ¤