Rheinland-Pfalz
Verdacht: illegale Wahlkampffinanzierung
Eigentlich hatte sich Christoph Böhr (CDU) nach der verlorenen Landtagswahl im Jahr 2006 in Rheinland-Pfalz aus der Öffentlichkeit zurückgezogen. Doch nun zwingt den ehemaligen Spitzenkandidaten der rheinland-pfälzischen CDU der Verdacht der illegalen Parteienfinanzierung wieder vor die Kameras und Mikrofone. Eine routinemäßige Überprüfung der Fraktionsgelder durch den Landesrechnungshof hatte für die Jahre 2005 und 2006 Unregelmäßigkeiten ergeben. Daraufhin schaltete die heutige Spitze der Landtagsfraktion die Staatsanwaltschaft ein.
Die rheinland-pfälzische CDU soll sich bei der Finanzierung des Landtagswahlkampfes 2006 aus der Fraktionskasse bedient haben. "Dieser Vorgang wäre indirekte Parteienfinanzierung, die vom Bundesverfassungsgericht verboten wurde", erklärt Karl-Heinz Naßmacher, Parteienforscher an der Universität Oldenburg. Das Geld sei, so die Anschuldigung, an die Unternehmens- beratung "C 4" geflossen. Diese soll ein Strategiepapier mit dem Titel "Wahlsieg 2006" und Redemanuskripte für den Spitzenkandidaten Böhr entwickelt haben - laut Kostenvor- anschlag zum Preis von 396.000 Euro.
An dieser Stelle kommt der ehemalige CDU-Fraktionsgeschäftsführer Markus Hebgen ins Spiel. Hebgen gab bei der Staatsanwaltschaft an, dass vom Fraktionskonto an zehn Buchungstagen insgesamt knapp 386.000 Euro an C 4 geflossen seien. Unterlagen, die diesen Verdacht stützen, bleibt er allerdings schuldig, ebenso wie die Fraktion, die stichhaltige Dokumente zu ihrer Entlastung nicht auffinden kann. Hebgen selbst wurde jüngst wegen Untreue zu einer Bewährungsstrafe von neun Monaten verurteilt. Das Amtsgericht im hessischen Rüdesheim erließ einen Strafbefehl gegen Hebgen, weil er als Geschäftsführer der Stiftung Kloster Eberbach im Rheingau rund 31.000 Euro in die eigene Tasche gesteckt hatte.
Mittlerweile hat die Staatsanwaltschaft Mainz die Wohnung des ehemaligen Geschäftsführers der CDU-Fraktion durchsuchen lassen. Er soll für mögliche Unregelmäßigkeiten bei der Verwendung von weiteren Fraktionsgeldern verantwortlich sein. Mehrere Aktenordner und ein Laptop wurden beschlagnahmt. Der konkrete Vorwurf: Hebgen soll mit der Kreditkarte der Fraktion Bordellbesuche in Berlin und Mainz gezahlt haben. Über die Karten abgerechnet wurden auch Kosten für einen Anzug und Speisen mit Gästen im Restaurant. Unklar ist noch, ob Hebgen dabei im Auftrag der damaligen Fraktionsspitze handelte oder ob rein private Gründe dahinter stecken. Fest steht aber, dass die Situation in der Kasse in den Jahren 2005 und 2006 zumindest unübersichtlich ist.
Losgelöst vom Fall Hebgen sind jedoch die Beschuldigungen zur Parteienfinanzierung zu bewerten: "Die Partei muss den Wahlkampf führen, nicht die Fraktion", macht Politikwissenschaftler Naßmacher deutlich. Bei einer Partei handele es sich nämlich mehr oder weniger um eine private Vereinigung, die sich ihren Wahlkampf nicht endlos durch Steuergelder zahlen lassen dürfe.
Genauso klar wird es im Fraktionsgesetz Rheinland-Pfalz formuliert. Demnach ist es unzulässig, wenn Fraktionen ihre Geld- oder Sachleistungen für Parteiaufgaben verwenden. Genau darauf hat der Landesrechnungshof ein wachsames Auge: "Wir prüfen derzeit, ob Fraktionsgelder der Jahre 2004 bis 2006 so verwendet wurden, wie es das Gesetz vorschreibt", sagt der Sprecher des rheinland-pfälzischen Landesrechnungshofes, Daniel Asche. Ein wesentlicher Grundsatz sei, dass die Fraktion kein Geld für die Öffentlichkeitsarbeit der Partei geben dürfe. Bei Fraktionen handele es sich hauptsächlich um einen Zusammenschluss von Abgeordneten, macht auch Politikwissenschaftler Naßmacher deutlich. Mit dem Wahlkampf hätten sie folglich nichts zu tun, ihre Aufgabe liege in der parlamentarischen Arbeit. Finanztransfers an die Partei seien damit ausgeschlossen.
Erhärtet sich nun der Verdacht der illegalen Parteienfinanzierung, droht der rheinland-pfälzischen CDU neben dem Image- auch ein erheblicher Finanzschaden. Das Gesetz sieht vor, dass die falsch verwendeten Mittel zurückgezahlt werden müssen und eine Strafe in dreifacher Höhe entrichtet werden muss. Theoretisch wäre der Landesverband dann bankrott. Praktisch ist das jedoch sehr unwahrscheinlich, so Parteienforscher Naßmacher: "Ich halte das für übertriebenes Getöse." Wenn ein Unternehmen pleite gehe, habe es Pech gehabt. Eine Partei hingegen falle wieder auf die Füße. Schließlich bekomme sie für jede Wahl staatliches Geld und sei somit dauerhaft kreditwürdig. Außerdem sei davon auszugehen, dass die Bundespartei dem Landesverband in solchen Fällen unter die Arme greife. Sparsamer gewirtschaftet werden müsse nach einem solchen Einschnitt aber.
Die damalige wie heutige Fraktionsspitze weist die erhobenen Vorwürfe zurück. "Ich habe immer strikt zwischen der Finanzierung der Partei- und Fraktionsarbeit getrennt", so der ehemalige Partei- und Fraktionschef Christoph Böhr in einer schriftlichen Stellungnahme. Sein Nachfolger, Christian Baldauf, verspricht: "Die CDU-Landtagsfraktion wird auch künftig alles tun, um Landesrechnungshof und Staatsanwaltschaft bei ihrer Aufklärungsarbeit zu unterstützen." Licht ins Dunkle der Verdächtigungen könnte der Bericht des Landesrechnungshofes bringen. Dieser wird in den nächsten Monaten dem Landtagspräsident übergeben und dann öffentlich gemacht.