Wie schreibt man eigentlich Erbschaft(s)steuer? Stimmt die Version mit einem s oder schreibt man sie mit Doppel-s? Wer unsicher ist, kann als Mitarbeiter des Bundestages beim Redaktionsstab der Gesellschaft für deutsche Sprache nachfragen. "Wir haben im Monat ungefähr 80 bis 90 Anfragen von Mitarbeitern des Bundestags zu Stil, Grammatik oder Rechtschreibung", beschreibt Stephanie Thieme die Arbeit des Redaktionsstabs beim Deutschen Bundestag, den sie leitet. Vier wissenschaftliche Mitarbeiterinnen nehmen die Anfragen entgegen. "Manche können direkt am Telefon beantwortet werden. Das erwarten die meisten Anrufer auch. Manche sind aber auch erleichtert, wenn sie merken, dass wir auch nicht alles ad-hoc wissen und nachschlagen müssen", erzählt Thieme. Und wie ist es mit der "Erbschaftssteuer"? "Sprachlich richtig schreibt man sie mit Doppel-s. Das Finanzministerium lässt das sogenannte Fugen-s weg, schreibt sie mit einem s", erklärt Thieme die Entstehung der zwei Schreibweisen. Eindeutig ist auch der Duden in diesem Fall nicht. Er nennt zuerst die Version mit zwei s, lässt die des Finanzministeriums aber als "fachsprachlich" zu.
Eine kleine Handbibliothek und die gesammelten Anfragen stehen im Arbeitszimmer der Juristin und Linguistin im Marie-Elisabeth-Lüders-Haus. Das wichtigste Buch, "unsere Bibel", wie Thieme es nennt, ist der "Duden Band 9": "Richtiges und Gutes Deutsch. Wörterbuch der sprachlichen Zweifelsfälle". Dass es intensiv benutzt wird, erkennt man an vielen kleinen roten und gelben Zettelchen, die die Seiten markieren, auf die am häufigsten geschaut wird. Ein Zettel klebt auf der Seite 540. Dort beginnen die Erklärungen zum Stichwort "Kongruenz", also zum Beispiel der Übereinstimmung beim Numerus von Verb und Subjekt eines Satzes. Stimmt ein Drittel der Abgeordneten ab oder stimmen ein Drittel der Abgeordneten ab? Empfehlen würde Thieme das Verb im Plural. Es sei aber auch nicht falsch, es im Singular zu benutzen. "Unsere Fragesteller wollen am liebsten eine eindeutige Antwort, keine Wahlmöglichkeit. Das empfinden sie als beliebig", beschreibt Thieme ihre Erfahrungen.
Die Wahl hatte auch Angela Merkel, als sie die Schirmherrschaft für die Fußballweltmeisterschaft 2006 übernahm. Mit einer Anfrage an den Redaktionsstab wollte das Bundeskanzleramt klären, wie Merkel korrekt zu bezeichnen wäre. Der Redaktionsstab präsentierte drei Möglichkeiten: Schirmerin, Schirmherrin, Schirmfrau. Thieme empfahl Schirmerin, das Bundeskanzleramt entschied sich letztlich doch für Schirmherrin. Solche Anfragen zum geschlechtergerechten Formulieren sind wie Fragen zu Stil, Grammatik und Rechtschreibung ein Aufgabengebiet des Redaktionsstabs. Anlass der Gründung war ein anderer. Als 1966 das Raumordnungsgesetz in dritter Lesung beraten wurde, stolperten die Abgeordneten über Phrasen wie "Das Bundesgebiet ist in seiner Struktur einer Entwicklung zuzuführen". Der damalige Bundestagspräsident Eugen Gerstenmaier sah Handlungsbedarf und richtete den Redaktionsstab der Gesellschaft für deutsche Sprache beim Deutschen Bundestag ein. Die verständliche Formulierung von Gesetzen ist seitdem die andere Aufgabe des Redaktionsstabs. Seit 2006 gibt es zum Beispiel das gemeinsame Projekt "Verständliche Gesetze" mit dem Bundesjustizministerium. Ein Ergebnis der Zusammenarbeit soll ein Sprachberater auf Regierungsebene sein, der die Formulierung von Gesetzen von Anfang an begleitet, erzählt Thieme. Auch jetzt muss jeder Gesetzentwurf dem Redaktionsstab vorgelegt werden. Bindend ist sein Rat nicht. "Wir bekommen die Entwürfe meistens so spät, dass wir oft nur noch sprachliche Schönheitsreparaturen vornehmen können. Die Verständlichkeit ist oft nur noch schwer herzustellen", beschreibt Thieme eine Schwierigkeit ihrer Arbeit. Eine andere ist, dass die Formulierung eines Gesetzes oft schon ein Kompromiss sei. "Da sind Veränderungen gar nicht immer so einfach möglich."