Wenn er ungehalten ist, dann wippt sein rechter Fuß unterm Tisch unwirsch auf und ab. Rainer Arnold lächelt, niemand soll wissen, wie wütend er gerade ist - über sich selbst. Es ist kurz nach eins, gerade hat er eine Abstimmung im Bundestag verpasst, die erste in zehn Jahren Parlamentarierdasein überhaupt. Das wurmt. Arnold lächelt.
In eineinhalb Stunden geht es zum Flughafen, heute Abend wartet ein Wahlkreistermin über 500 Kilometer südwestlich von Berlin auf Arnold, den verteidigungspolitischen Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion aus Nürtingen. Bis dahin müssen noch Akten bearbeitet werden, 30 Zentimeter türmen sie sich hoch. "Noch Zeit für einen Kaffee?", fragt er und gießt sich ein, mit Milch, ohne Zucker. Dann geht es an den Aktenberg.
Arnold ist einer, der sich hoch gerackert hat, auch wenn er es so nicht nennt. "Mein Ausbildungs- und Berufsweg war nicht glatt", umschreibt er seine Biographie, die in einem Arbeiterhaushalt wurzelt: der Vater Betriebsrat in einer großen Firma, die Mutter politisch interessiert - und ein Arbeiter anführender Urgroßvater, der sich im Ruhrgebiet einen Namen als "roter General von Hamborn"machte. Arnold Junior, so viel stand fest, wurde Politik mit in die Wiege gelegt. Und wurde sein ständiger Gefährte. "Du sollst es einmal besser haben" - diesen Leitspruch seiner Eltern setzte er nach der Lehre zum Fernmeldemonteur und der Mittleren Reife um; es folgten Fachhochschulreife und ein Studium an der Pädagogischen Hochschule in Esslingen. Nicht gerade ein klassischer Werdegang für Verteidigungspolitiker, aber Wehrdienstverweigerer Arnold folgte dem Ruf des Fraktionsvorstands, als der Neuling 1998 in den Bundestag einrückte: Einer aus Baden-Württemberg sollte in den Verteidigungsausschuss. Eine neue Etappe seines Berufsweges begann.
"Links heißt nicht, pazifistisch zu sein", sagt Arnold. "Ich zweifelte nie daran, dass für Schwache auch Waffen ergriffen werden müssen, wenn andere Mittel versagen." In seiner ab 2002 übernommenen Aufgabe als verteidigungspolitischer Sprecher sieht er sich ganz als Zivilist. "Ich habe das Thema Sicherheitspolitik zu meiner Sache gemacht, bin aber kein Vertreter der Bundeswehr." Auf Kameradschaft macht er nicht. Generäle siezt er grundsätzlich, auch die mit SPD-Parteibuch.
Ein Anruf unterbricht die Aktenlektüre. Probleme in Afghanistan, ein Konvoi wurde beschossen. Arnold hält kurz inne. Seit Jahren unterstützt er kritisch den Einsatz deutscher Truppen am Hindukusch. "Man kann Soldaten nur in den Kampf schicken, wenn es zur Wahrung unserer Stabilitätsinteressen notwendig und ethisch verpflichtend ist", markiert er die Linie. "Einsätze im Unklaren sind nicht drin." Damit schließt der Nürtinger heimliche Einsätze wie mit US-Soldaten im Süden Afghanistans aus.
Aber nicht jeden Tag geht es um Krieg oder Frieden. Das alltägliche Wohl der Bundeswehr-Angehörigen bestimmt den Alltag eines Sicherheitspolitikers. Seit Jahren streitet Arnold für neue Technik und mehr Fachpersonal bei der Truppe. "Ich strenge mich an, damit die Soldaten von der Gesellschaft gut behandelt werden", sagt er.
Die Arbeit als Parlamentarier würde der 58-Jährige gern noch weitere zehn Jahre fortsetzen. Noch immer lerne er jeden Tag Neues und neue Leute kennen, das schätze er so sehr, dass er auch die Nebenwirkungen des Politikerdaseins in Kauf nimmt: "Zu Beginn fiel mir schon auf, dass man ein bisschen eitel sein muss." Doch Selbstdarstellung fällt ihm nicht sonderlich schwer, weist der Lebenslauf auf seiner Website doch Arnold zwischen 1967 und 1990 als nebenberuflichen Musiker aus. In einer Tanzkapelle spielte er schon mit 17 auf seinem Schlagzeug "alles, was dem Publikum gefiel", von der Hitparade über Beat und Rock'n Roll bis Jazz. Sogar auf dem Kreuzfahrtschiff "Achille Lauro" verbrachte die Combo zwei Sommerreisen - vor der Entführung des Schiffes 1985 durch radikale Palästinenser.
"Musik gefällt mir immer", sagt Arnold, gern tobe er sich im Keller am Schlagzeug aus oder spiele auf der Gitarre Arbeiterlieder. Er lächelt. Und sein rechter Fuß hält jetzt still.