Politik und Militär
Helmut Schmidt und die Atomwaffen
In der Bundesrepublik Deutschland wie in jedem demokratischen Verfassungsstaat sind es die Politiker, nicht aber die Soldaten, welche die Verantwortung für Frieden und Krieg zu tragen haben." Dieser Satz klingt wie eine Selbstverständlichkeit. Doch wenn Helmut Schmidt sein Vorwort zu Detlef Balds Buch "Politik der Verantwortung" mit diesem Satz ausklingen lässt, dann lässt er erahnen, dass dies in der Realität wohl doch keine Selbstverständlichkeit ist.
Der freischaffende Historiker und Publizist Detlef Bald belegt mit seinem Buch "Politik der Verantwortung", dass sich das Primat der Politik gegenüber dem Militär in der Bundesrepublik lange Zeit noch nicht auf allen Ebenen durchgesetzt hatte. So musste Helmut Schmidt 1969, als er den Posten des Verteidigungsministers übernahm, feststellen, dass ihm die Militärs im Kriegsfall lediglich eine "Statistenrolle" zubilligten. Besonders deutlich zeigte sich dies in der Frage der taktischen Atomwaffen. Einen besonderen Stellenwert in den Planungen der Nato-Militärs nahmen die sogenannte "Atomic Demolition Munition" (ADM) ein. Diese auch als Atom-Minen bezeichnete mobile Waffe konnte in ihren verschiedenen Ausführungen und Größen von kleinen Fahrzeugen, Hubschraubern und Soldaten transportiert werden. Oder als Mine verlegt werden. Rund 100 dieser amerikanischen Atom-Minen sollten nach dem Willen der deutschen Militärs im Falle auch eines konventionellen Angriffs des Warschauer Paktes entlang der Ostgrenze der Bundesrepublik zum Einsatz gebracht werden können - ohne die vorherige Zustimmung durch die politisch Verantwortlichen in Bonn. Schmidt war entsetzt. Er befürchtete eine automatische atomare Eskalation im Kriegsfall.
Bald rekonstruiert anhand bislang geheimer Aktenbestände, wie Schmidt in Zusammenarbeit mit seinem amerikanischen Amtskollegen Melvin Laird den Einsatz taktischer Atomwaffen auf dem Boden der Bundesrepublik wieder unter die Kontrolle der Politik stellte. Für Schmidt war dies eine Frage der Vernunft und der Verantwortung.
Das Buch beruht auf akribischer Recherche und die Materie ist höchst komplex. Bald ist es trotzdem gelungen, nicht nur eine erhellende, sondern auch eine spannende Lektüre vorzulegen.
Politik der Verantwortung. Das Beispiel Helmut Schmidt.
Aufbau Verlag, Berlin 2008; 288 S., 22,95 ¤