INTEGRATION
In den Medien soll die Lebenswelt von Einwanderern besser abgebildet werden
Die Einwanderungsgesellschaft gerät immer stärker in den Fokus der Medien - wenn auch auf ganz unterschiedliche Art. Nach wie vor überwiegt das Bild des Migranten als Problem und als Fremder. Dabei wird der Blick nur allzu oft darauf gerichtet, was in der Integration versäumt wurde.
Zum Anderen mehren sich gerade im fiktionalen Bereich gute und mutige Beispiele des Umgangs mit dem Thema: Mal unverkrampft und witzig bis selbstironisch, wie in der Vorabendserie der ARD "Türkisch für Anfänger" und mal schonungslos - und entgegen jeglicher political correctness - wie in dem preisgekrönten Sozialdrama "Wut" des WDR.
Aber können Medien in der Einwanderungsgesellschaft eine Integrationsfunktion haben? Bereits im Jahre 2000 hatte Professor Hans-Jürgen Weiss in einer Studie des Bundespresseamts das Medienverhalten der Türken in Deutschland untersucht. Sein Fazit: Türken in Deutschland leben nicht in medialen Parallelgesellschaften. Die meisten von ihnen nutzen sowohl deutsch- als auch türkischsprachige Medien. Fernsehen ist das Leitmedium. Nur eine Minderheit lebt in einem medialen Ghetto. Es sind diejenigen, die aufgrund von sozialem Status und mangelnden Sprachkenntnissen zu den nicht-Integrierten gehören.
Die Studie erlaubte keinen Rückschluss auf die integrative Wirkung der Medien. Sie stellte lediglich eine Relation zwischen Integrationsbereitschaft und Mediennutzung her. Ihre bahnbrechende Bedeutung bestand darin, den Mythos der türkischen medialen Ghettos zu relativieren und die Zuwanderer als Publikumssegment der deutschsprachigen Medien zu entdecken.
Spätere Untersuchungen bestätigten diesen Befund. Sowohl in zwei Studien des WDR 2002 und 2004 als auch in der bundesweiten Befragung von ARD / ZDF im Jahr 2006. Darin war zu erkennen, dass sich andere Einwanderergruppen, wie beispielsweise Italiener, Aussiedler aus Osteuropa oder Zuschauer aus dem ehemaligen Jugoslawien, an deutschsprachigen Programmangeboten orientieren. Blieb für den WDR die Frage, wie Einwanderer gezielter als Hörer und Zuschauer eingebunden werden können, und zwar in den massenattraktiven Programmen. Die Suche nach Moderatorinnen und Moderatoren mit ausländischen Wurzeln begann. Durch Inhaltsanalysen von Fernsehsendungen, in Redaktions- und Programmkonferenzen entstand im öffentlich-rechtlichen Rundfunk eine kritische Reflexion über den Umgang mit Migrations- und Integrationsthemen entstanden. Die Erfahrungen anderer - wie der BBC und des niederländischen Fernsehens - wurden dabei mit reflektiert.
Wo stehen wir heute? Mehmet Kurtulus spielt den Kommissar im Hamburger Tatort. Birand Bingül kommentiert in den ARD-Tagesthemen, Dunya Hayali moderiert beim Heute Journal des ZDF. Es sind nur einige prominente Beispiele. Und doch stehen wir noch am Anfang des Weges. Die gesellschaftliche Entwicklung hat die Medien längst eingeholt. Minderheiten sind in Großstädten bereits zu Mehrheiten geworden. Das Fernsehpublikum wandelt sich immer stärker zu einem Publikum mit unterschiedlichen kulturellen Wurzeln und Erfahrungen. Wenn es den Medien nicht gelingt, diese Lebenswirklichkeit zur Programmnormalität werden zu lassen, dann haben sie ihre Entwicklungschance verpasst.
Gualtiero Zambonini ist Integrationsbeauftragter des WDR.