TV-KANÄLE
Viele neue Sender kämpfen um wenige Zuschauer
"Timm" ist nicht schwul, sagt Frank Lukas. Es gebe ja auch keine schwulen Autos und keine schwulen Kühlschränke. Also gibt es auch keinen schwulen Fernsehsender. Alles eine Frage der Sprachlogik. Es sei einfach so, sagt Lukas, dass sich "Timm", der vor ein paar Monaten gestartete TV-Kanal, an schwule Männer richte, eine in seinen Augen televisionär bislang unterversorgte Zielgruppe.
Frank Lukas ist "Timms" Gründer, Geschäftsführer und Programmdirektor. "Schwule Männer schauen anders fern als Heteros", sagt er. Lieber "Sex and the City" und "Blondes Gift" als Boxen und Auto- rennen. Da die Zielgruppe als einkommensstark und konsumfreudig gilt, hat der Spartensender gar keine so schlechte Ausgangsposition im Rennen um Zuschauer und Werbegelder.
Zu empfangen ist "Timm" digital via Satellit und Kabel und buhlt dort - je nach Zählweise und Definition - mit bis zu 400 anderen Programmen frei empfangbaren und als Pay-TV ausgestrahlten. Nimmt man nur die bundesweit verbreiteten Sender, sind es laut der Arbeitsgemeinschaft der Landsmedienanstalten (ALM) immer noch 130. An national ausgestrahlten Spartensendern im Free-TV weist die ALM rund 40 Kanäle aus von A wie Astro TV mit esoterisch-astrologischem Schwerpunkt über B wie Bibel TV bis zu V wie Volksmusik TV und X wie XXHome, einem Programm zu den Themen "Lebensgestaltung und Wohnen".
So unterschiedlich die Inhalte und Zielgruppen, so unterschiedlich auch die Geschäftsmodelle. Während Sender wie "Timm" ihren Erolg überwiegend in der Werbung suchen, setzen Sender wie Astro TV auf das Redebedürfnis ihrer Zuschauer: Sie verdienen an den Anrufen ratsuchender Menschen. Etliche Teleshopping-Kanäle finanzieren sich über den Verkauf von Waren. Viele Programme seien nur von mittelmäßiger Relevanz, moniert der Medienwissenschaftler Robin Meyer-Lucht vom Berlin Institute. Er rechnet damit, dass sich etliche Sender als "Übergangsphänomen" entpuppen. Für die Verbreitung spezialisierter Inhalte biete inzwischen ohnehin das Internet den erfolgversprechenderen Weg zum Kunden.
Wie schwer es trotz vergleichsweise geringer Kosten und nahezu unbegrenzter Sendefrequenzen tatsächlich ist, ein TV-Programm im digitalen Zeitalter zu positionieren, belegt das als Trauersender apostrophierte Etos TV. Seit Monaten verschiebt es seinen Sendestart immer wieder. Der Literaturkanal Lettra musste im März 2008 schon vier Monate nach Sendebeginn Insolvenz anmelden. Den Lettra-Geschäftsführern war es nicht gelungen, die großen Kabelnetzbetreiber trotz Zugpferden wie Bärbel Schäfer und Michel Friedman für ihr Programm zu gewinnen.
Medienforscher Meyer-Lucht gibt daran auch der Politik eine Mitschuld. Sie habe versäumt, günstige Strukturen für den privaten Rundfunk zu schaffen. Die Digitalisierung sei in Deutschland verschleppt worden und der Zugang zu digitalen Kabelfrequenzen in der Praxis immer noch schwierig. Zudem habe sich die Medienpolitik zu zögerlich gegen die Expansionsstrategie der öffentlich-rechtlichen Sender gestellt. Neun Spartenprogramme verantworten ARD und ZDF derzeit.
Auf Dauer, so Meyer-Lucht, hätten auf dem werbefinanzierten Markt aber nur solche Kanäle eine Chance, die "konsumrelevante Inhalte" anbieten. Zwar könnten Spartensender ihre Werbekunden mit einer eng umrissenen Zielgruppe locken, doch die Zahl der Zuschauer ist im Vergleich zu den Vollprogrammen mikroskopisch klein. "Wir stehen vor einer Konsolidierung", sagt Meyer-Lucht.