FINANZIERUNG
Bei den meisten Sendern der TV-Branche ist die Finanzlage angespannt - sie müssen sparen. Neben dem Strukturwandel drücken die Krise der Wirtschaft, geplante Werbeverbote und Gebührenausfälle aufs Budget
Ein paar Leuchten aus dem Baumarkt, eine Kamera und ein wenig Talent - so einfach kann das neue Fernsehen sein. Mit seiner One-Man-Show auf dem Internet-Videokanal Youtube verdient Michael Buckley bis zu 20.000 Dollar pro Monat. Werbung, Sponsoring und Product Placement lassen die Kasse klingeln. Mehr als 180.000 Abonnenten lockt er mit seinem Smalltalk über Stars und Sternchen.
Web-Videos mausern sich zum kurzweiligen Kontrastprogramm des klassischen Fernsehens. Online-Werbung punktet mit direkter Ansprache und unmittelbarer Messbarkeit. Doch nicht nur die neuen Medien mischen den Markt auf. Das Geschäftsmodell TV gerät derzeit gleich von mehreren Seiten in Bedrängnis - strukturell, konjunkturell und politisch.
Die übersichtlichen Zustände der analogen Ära sind vorbei, die digitale Verspartung nimmt zu. Angesichts von 410 TV-Sendern haben die Deutschen die Qual der Wahl. Der TV-Konsum verteilt sich auf immer mehr Kanäle, doch 80 Prozent der Nutzung konzentriert sich weiterhin auf die zehn größten Sender. Viele der hoffnungsfrohen Aspiranten des digitalen Eldorados werden niemals die Gewinnschwelle erreichen. Die Rabattschlacht hat sich verschärft: Nur 46 Cent von jedem umgesetzten Werbeeuro verbuchten die Sender 2008 netto als Einnahmen. 2001 waren es noch 59 Cent. Zudem drückt die wirtschaftliche Rezession auf Preise und Konditionen. "2009 wird der TV-Markt durch eine Deflation geprägt sein", ist sich RTL-Deutschland-Chefin Anke Schäferkordt sicher.
Experten rechnen mit einem Rückgang des TV-Werbemarkts um bis zu zehn Prozent. Im Vergleich zu den Printmedien schlägt sich der Werbeträger Fernsehen tapfer. "Kaum ein Medium hat eine so gut nachweisbare Abverkaufswirkung", erklärt Klaus-Peter Schulz, Vorstand Sales & Marketing von ProSiebenSat.1 Media: "In den Krisenjahren 2000 bis 2003 war TV der Gewinner."
Relativ betrachtet. Denn erholt hat sich das Fernsehen seit dem Einbruch durch den Börsen-Crash Anfang 2000 immer noch nicht. Mit schätzungsweise 4,2 Milliarden Euro lagen die Nettowerbeerlöse 2008 auf dem Niveau von vor zehn Jahren. Die Aussichten sind nicht gerade rosig. Wie ein Damoklesschwert schweben die beabsichtigten Werbeverbote und -restriktionen der EU-Kommission für Alkohol, Lebensmittel mit hohem Fett-, Zucker- oder Salzgehalt und Autos über der Branche.
Sollten die Pläne realisiert werden, wären die Sender potenziell um 1 Milliarde Euro Umsatz im Jahr ärmer, befürchtet Volker Nickel, Sprecher des Zentralverbands der deutschen Werbewirtschaft: "Der naive Glaube, mit Werberestriktionen dem Verbraucherschutz zu dienen, torpediert die Existenzfähigkeit der TV-Sender." Die Gefahr sieht auch die Regierung. "Die Bundesregierung lehnt weitere Werbebeschränkungen und -verbote auf nationaler oder europäischer Ebene strikt ab", heißt es im Medien- und Kommunikationsbericht 2008.
Fest steht: Die heutige Vielfalt an frei empfangbaren Programmen wird der Markt künftig nicht mehr stemmen können. "Zur Werbefinanzierung gibt es jedoch keine tragfähige Alternative", ist André Wiegand, Geschäftsführer des Berliner Beratungsunternehmens Goldmedia, überzeugt: "Reine Pay-TV-Plattformen oder Mischmodelle aus Pay-TV und Werbung lassen sich in Deutschland nur schwer vermarkten und das Wachstum im Bereich transaktionsbasierter Umsätze stößt ebenfalls an seine Grenzen."
Also heißt die Devise, neue Wachstumsfelder zu erschließen. "Die Sender müssen ihre Inhalte künftig auf immer mehr Plattformen abbilden und neue Erlösmodelle aufbauen", sagt Jürgen Doetz, Präsident des Verbandes Privater Rundfunk und Telemedien. Aber das kostet Geld. Online-Portale, Handy-Angebote, Video-on-Demand und Spiele sind zwar die Wachstumstreiber. Aber das passende Geschäftsmodell für die zeit- und ortsunabhängigen Angebote auf großen und kleinen Bildschirmen zu finden, ist nicht so einfach. Noch lässt sich die Nutzung nicht ädaquat kapitalisieren. Immerhin: Ein Sechstel der Umsätze erzielen die Konzerne bereits fernab der klassischen Werbespots.
Auch die Öffentlich-Rechtlichen stehen unter Druck. Rund 4,5 Milliarden kassieren ARD und ZDF pro Jahr an Gebühren, die für den Fernsehbereich verwandt werden. Die aktuelle Erhöhung um 95 Cent auf 17,98 Euro liege jedoch unter der Inflationsrate, monieren die Intendanten. Zwar haben die ARD-Anstalten für die abgelaufene Periode einen Überschuss von rund 490 Millionen Euro gemeldet. Dennoch beklagen einige Anstalten chronischen Finanzmangel, den auch der neue Lastenausgleich nur wenig lindern kann. Unter Gebührenausfällen durch Befreiungen und Abmeldungen leiden vor allem der Mitteldeutsche Rundfunk und der Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB). "Ohne eine grundlegende Reform der Gebührenverteilung wird der Osten von den Standards des öffentlich-rechtlichen Rundfunks abgekoppelt", warnt MDR-Intendant Udo Reiter.
Eine Reform mahnen die Ministerpräsidenten der Länder und die Gebührenkommission (Kef) an. Zwangsläufig stellt sich dabei die Systemfrage der Mischfinanzierung. Während EU-Kommissarin Viviane Reding einen Verzicht auf Werbung fordert, rüsten sich ARD und ZDF mit ihrer neugegründeten Vertriebstochter für Fernsehwerbung für die Verteidigung ihres knapp fünfprozentigen Marktanteils.
Um die ARD für die Zukunft fit zu machen, hat sich Peter Boudgoust, seit Januar Vorsitzender der ARD-Intendanten, strukturelle Einsparungen und mehr Kooperationen auf die Flagge geschrieben. Das Federführungsprinzip, nach dem einzelne Anstalten Sendungen für alle produzieren, könne ausgeweitet werden, um Programmkosten zu sparen. Mutig geht der RBB voran: Zum 1. Mai werden Fernseh- und Hörfunkdirektion zu einer multimedialen Programmdirektion zusammengelegt. Vorgesorgt hat bereits ZDF-Intendant Markus Schächter, der "eisern gespart", konsequent alle Schulden abgebaut und das Unternehmen effektiver und multimedial aufgestellt hat. Der Haushaltsplan sieht ein positives Ergebnis vor. Nicht nur Schächter weiß: Starke TV-Marken sind in der digitalen Ära in einer sehr guten Position. Und so werkeln die Etablierten eifrig an ihren nicht-linearen Strategien. Die Avantgarde der Newcomer ist internet-affin, interaktiv und international. "Wiinoma", der Kanal des Spieleherstellers Nintendo, kommt demnächst via Internet über die Konsole auf den TV-Bildschirm. Mitmachsender Current TV, der Ex-US-Vizepräsident Al Gore zu seinen Gründern zählt, zeigt selbstgedrehte Videos der Zuschauer.
"Das Fernsehen wie wir es heute kennen, wird zum Auslaufmodell", prognostiziert Ralf Kaumanns, Senior Manager beim Düsseldorfer Consulting-Unternehmen Accenture. Mit fortschreitender Konvergenz enstehen immer mehr neuartige audiovisuelle Angebote auf den unterschiedlichsten Plattformen. Der Klassiker Fernsehen wird morgen nicht mehr nur das sein, was es heute ist, sagt der Medienexperte. Evolution und Revolution gehen Hand in Hand. Kurzum: "Das Fernsehen ist tot, es lebe das Fernsehen."
Die Autorin ist freie Journalistin
und Medienentwicklerin.