TELEFONWERBUNG
Verbraucher bekommen mehr Rechte. Überprüfung erfolgt in drei Jahren
Das Telefon klingelt. Noch einmal. Und noch einmal. Die alte Dame zögert. Erst vor einer halben Stunde hatte ein Mann ihr freudig mitgeteilt, dass sie angeblich eine Schiffsreise gewonnen habe, er jedoch noch ein paar Details zu ihrem Konsumverhalten erfahren müsse. Nur mit Mühe hatte sie ihn aus der Leitung bekommen. Sie erwartet schließlich einen Anruf ihrer Freundin Pauline. Ob sie das ist? Das Telefon läutet immer noch. Schließlich nimmt die alte Dame den Hörer ab. Am Telefon ist wieder ein Mann. Ob sie schon wisse, dass es eine DSL-Verbindung für ihren heimischen Computer gebe, mit dem sie super schnell surfen könne, und überhaupt: so günstig sei das Angebot nie wieder zu haben. Der Mann redet und redet. Und schließlich macht die alte Dame eine Zusage. Nur, um ihn wieder aus der Leitung zu bekommen. Dabei hat sie gar keinen Computer.
An sich ist Telefonwerbung gegenüber Verbrauchern ohne deren Einwilligung schon nach geltendem Recht verboten. Unseriöse Firmen setzen sich über dieses Verbot aber immer wieder hinweg. Deswegen beschloss der Bundestag am 26. März mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD sowie der FDP eine Verschärfung. Verstöße gegen die Vorschriften können künftig mit bis zu 50.000 Euro bestraft werden. Außerdem wird im Gesetz klargestellt, dass ein Werbeanruf nur zulässig ist, wenn der Angerufene vorher ausdrücklich erklärt hat, Werbeanrufe erhalten zu wollen.
Bei solchen Anrufen darf zudem das Unternehmen seine Rufnummer nicht mehr unterdrücken. Der Angerufene muss sehen, welche Firma er gerade am Hörer hat. Andernfalls droht dem Unternehmen eine Geldbuße bis 10.000 Euro. Zudem soll eine mindestens 14-tägige Widerrufsfrist den Verbraucher vor unüberlegten Handlungen schützen. Das gilt auch für die Lieferung von Zeitungen und Illustrierten sowie Wett- und Lotterie-Dienstleistungen, für die es im Gesetz bislang noch keine Regelung gab.
Wenn der Verbraucher den Anbieter wechseln möchte - was zum Beispiel bei Telefon, Strom oder Gas der Fall sein kann - muss der Wechsel schriftlich erfolgen. Bisher konnte das anrufende Unternehmen gegenüber dem bisherigen Anbieter ohne Weiteres die Abwicklung übernehmen. Das ist jetzt nicht mehr möglich.
Die Bundesministerin der Justiz, Brigitte Zypries (SPD), sprach von einem "guten Tag für die deutschen Verbraucherinnen und Verbraucher". Jetzt würde die Anzahl der unerlaubten Telefonanrufe deutlich zurückgehen, gab sie sich überzeugt. In drei Jahren, so versprach Zypries, gebe es eine Evaluierung. Dann werde man sehen, ob die Regelungen den gewünschten Erfolg zeigten.
Es sei der Koalition gelungen, "die Regierung ein bisschen vor sich herzutreiben", so das Fazit von Julia Klöckner (CDU). Sie sei hoffnungsvoll, dass die "wahre Landplage", die sich in Deutschland ausgebreitet habe, gestoppt werden kann. Hunderprozentige Sicherheit gebe es aber nie, sagte Klöckner.
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) verwies auf eine Umfrage, die ergeben habe, dass sich die Mehrheit der Deutschen von unerwünschten Anrufen gestört fühle; bei den über 65-Jährigen seien es sogar 71 Prozent. Es sei gut, so die Liberale, dass Lücken im Recht nun endlich geschlossen würden.
Die Linksfraktion, die sich bei der Abstimmung enthielt, bemängelte, es seien weitere Maßnahmen zum Schutz der Verbraucher erforderlich. Karin Binder verlangte, die Bußgelder bis maximal 250.000 Euro anzuheben, wenn man gegen das Gesetz verstoße. Binder sprach sich außerdem dafür aus, die sogenannte Bestätigungslösung zur Grundlage zu machen. Dabei muss jeder Angerufene den Vertrag schriftlich bestätigen.
Die Grünen lehnten das Gesetz ab. Jerzy Montag erklärte zur Begründung, die Regierung unternehme zu wenig gegen diese "unerwünschten, belästigenden und in Überrumpelungsabsicht getätigten Werbeanrufe". Die Grünen hätten in ihrem Antrag ( 16/4156) die "besseren Vorschläge". Diesen Antrag lehnte der Bundestag ebenso wie einen Antrag der FDP ( 16/8544) auf Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses ( 16/12406, 12/6059) ab.
Der Verbraucherzentrale Bundesverband bewertet das Gesetz als "Teilerfolg". "Erweiterte Widerrufsrechte und schärfere Sanktionen bedeuteten eine deutliche Verbesserung zum Status Quo", kommentierte Vorstandsmitglied Gerd Billen. Ebenso wie Linksfraktion und Grüne kritisiert er jedoch, dass Verbraucher Widerspruch einlegen müssten, um aus Verträgen, die sie nicht wollten, wieder herauszukommen.