UNTERSUCHUNGSAUSSCHUSS
Für Sonderermittler Dick Marty steckt hinter den CIA-Flügen ein Nato-Geheimbeschluss
Dieser Moment hatte einen gewissen Kick. Tischte da einer einen prickelnden Verschwörungs-Thriller auf? Oder legte da jemand eine politische Zeitbombe, die fortan tickt? Im Untersuchungsausschuss staunte man nicht schlecht, als Dick Marty von einem geheimen Nato-Abkommen zum Anti-Terror-Kampf vom Herbst 2001 erzählte: Diese Übereinkunft habe den US-Geheimdiensten volle Bewegungsfreiheit in den Bündnisstaaten garantiert, auch hätten sich deren Agenten sicher sein können, keiner Strafverfolgung ausgesetzt zu werden.
Aus diesem Abkommen zog der vom Europarat mit der Aufklärung der "Renditions" beauftragte Schweizer Politiker den Schluss, dass die Nato-Regierungen über die rechtswidrige Verschleppung von Terrorverdächtigen durch die CIA zu Geheimgefängnissen informiert gewesen sein müssen. Berlin sei von diesem Nato-Geflecht nicht abgekoppelt gewesen, gab sich Marty überzeugt. Über die Vereinbarung seien in den Hauptstädten nur wenige unterrichtet worden. Ob das in Deutschland Ex-Innenminister Otto Schily gewesen sein könne, wollte der FDP-Abgeordnete Hellmut Königshaus wissen. "Das passt theoretisch ins Schema", meinte Marty, konkret beweisen könne er es nicht. Sein Fazit lautete: Es sei "absolut unglaubhaft", dass die europäischen Regierungen bis 2005 nichts von den CIA-Aktionen gewusst haben wollen.
Aber stimmt die aufregende Story? Die Nato-Übereinkunft sei von "Quellen" bestätigt worden, die er als glaubwürdig einstuft, denen er aber Vertraulichkeit zugesichert habe. So etwas hält die Spannung hoch. Für den Europarats-Beauftragten löst das Nato-Abkommen das Rätsel um die staatliche Geheimhaltung, die in Europa und auch in Deutschland die volle Aufklärung der Renditions verhindere. Die Wahrheit werde aber ans Tageslicht kommen, prognostizierte Marty: Er hoffe auf die USA, wo die kritische Aufarbeitung des Anti-Terror-Kampfs anläuft.
Belege für eine konkrete Verwicklung Berlins in die Renditions hat der Zeuge indes nicht zur Hand. Im Fall des verschleppten Khaled El-Masri machte er Indizien für eine Weitergabe von Informationen an die CIA aus. Aber Hinweise auf die Existenz von US-Geheimgefängnissen hierzulande hat er nicht, auch nicht dafür, dass CIA-Verschleppungen in der Bundesrepublik ihren Ausgang hatten.