PARLAMENTSPREIS
Präsidenten zeichnen Arbeiten über deutsch-französische Themen aus
Ganz schön viel Text: Wenn sich Wissenschaftler aus Deutschland und Frankreich um den Deutsch-Französischen Parlamentspreis bewerben, sind die eingeschickten Bücher oft mehrere hundert Seiten dick. Dieses Jahr landeten 45 Wälzer über Themen rund um die beiden Länder allein aus Deutschland auf den Schreibtischen des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages. Bei den französischen Kollegen trafen 21 Bewerbungen ein.
Im Januar verständigte sich die Jury auf die beiden Preisträger - je einer aus Frankreich und einer aus Deutschland. Am 30. März 2009 werden sie bei der gemeinsamen deutsch-französischen Präsidiumssitzung in Annecy-le-Vieux in Frankreich ausgezeichnet: Tim Geiger erhält den Preis der deutschen Seite auf französischer Seite wurde Magali Gravier ausgewählt. Der Präsident des Deutschen Bundestages, Norbert Lammert, und der Präsident der Assemblée Nationale, Bernard Accoyer, überreichen den Preis dieses Jahr zum vierten Mal. 2004 wurde er aus Anlass des 40. Jahrestages der Elysée-Verträge gestiftet.
Voraussetzung für die Bewerbung ist das richtige Thema: Die Arbeiten müssen sich sowohl mit Frankreich als auch mit Deutschland beschäftigen und laut Ausschreibung "zur besseren gegenseitigen Kenntnis der beiden Länder beitragen". Welche Kriterien die Jury bestehend aus zwei deutschen und zwei französischen Wissenschaftlern, jeweils zwei Abgeordneten beider Parlamente und den Parlamentspräsidenten anlegt, erläutert Jurymitglied Hartmut Kaelble, Professor für Sozialgeschichte an der Humboldt-Universität zu Berlin. Das Hauptkriterium sei die wissenschaftliche Qualität, direkt danach käme die Nähe zu einem breiten Publikum: "Das Thema soll nicht zu eng und speziell sein", sagt Kaelble, "und die Texte sollen gut lesbar sein, damit es viele Menschen anspricht." Durch genau diese Eigenschaften hätten sich auch die beiden Siegertexte ausgezeichnet: Die Arbeit von Magali Gravier "Good Bye Honecker!" untersuchte die Umgestaltung von ostdeutschen Verwaltungen nach der Wiedervereinigung. Tim Geiger beschäftigte sich mit dem Konflikt "Atlantiker gegen Gaullisten", der in den 1960er Jahren in der CDU/CSU zu einem innerparteilichen Machtkampf führte. Damals stritten sich die beiden Lager, ob man sich an die USA halten oder zusammen mit Frankreich ein starkes Europa bilden solle.
Geiger, der als wissenschaftlicher Mitarbeiter am "Institut für Zeitgeschichte" in Berlin arbeitet, fragte sich bei den Recherchen für seine Magisterarbeit: "Warum haben die Atlantiker und Gaullisten sich immer gezankt, wenn sie zu den USA und Frankreich angeblich gleich gute Beziehungen haben?" Diese Frage fand auch ein Abgeordneter aus Geigers Heimatwahlkreis Esslingen spannend. Er ermunterte ihn, sich um den Preis zu bewerben.
Mit ihrer Auszeichnung reihen sich Geiger und Gravier in eine Liste bedeutender Wissenschaftler ein: Als erster von bisher acht Preisträgern erhielt 2004 Professor Thilo Schabert den Preis für seine Arbeit "Wie Weltgeschichte gemacht wird - Frankreich und die deutsche Einheit". Fünf Jahre später ist die Freude auch bei Tim Geiger groß: "Am meisten freue ich mich darüber, dass andere Leute meine Ergebnisse genauso interessant finden wie ich."