FINANZEN
Auf dem milliardenschweren Grauen Kapitalmarkt tummeln sich viele unseriöse Berater. Wer ihnen sein Geld anvertraut, kann alles verlieren. Der Bundestag will das Problem anpacken
Für ein Rentnerehepaar war das Angebot, das ihnen der Mitarbeiter eines Kapitaldienstes auf den Tisch legte, verlockend: Ein geschlossener Immobilienfonds sollte eine Rendite bringen, die mit Sparbuch oder Tagesgeldkonto nie zu erreichen gewesen wäre. Die Eheleute investierten ihre gesamten Ersparnisse von 30.000 Euro in einen geschlossenen Fonds. Dieser Fonds hatte wiederum ein Darlehen bei einer Bank über einen zweistelligen Millionenbetrag aufgenommen. Als sich herausstellte, dass die Wohnungen des Fonds unbewohnbar waren, war die Einlage des Ehepaares weg. Schlimmer noch: Die Bank nahm die Eheleute für den Kredit in Mithaftung, sodass die ahnungslosen Anleger noch ihr Eigenheim verkaufen mussten. Ein Ende mit Schrecken.
Die Anlageverkäufer und die Initiatoren des Fonds hatten ihre Provisionen gleich zu Beginn eingestrichen und waren aufgrund ihrer geschickten rechtlichen Konstruktionen nicht mehr zu belangen. Andere Modelle bestehen darin, Wohnungen zu verkaufen und über Darlehen zu finanzieren. Mit den Mieteinnahmen sollen die Darlehen getilgt werden. Die Wohnungen sind jedoch so schlecht, dass die erwarteten Mieteinnahmen nicht zu erzielen sind und die Wohnungen wieder verkauft werden müssen, um noch höhere Verluste zu vermeiden.
Doch auch in diesem Fall kommt das Ende mit Schrecken: "Uns liegen Fälle vor, in denen der Kaufpreis der Wohnung 200.000 Euro betrug und am Markt heute nicht mehr als 30.000 Euro beim Verkauf zu erzielen sind, schreibt Rechtsanwalt Peter Mattil in seiner Stellungnahme für den Finanzausschuss, der sich am 1. Juli in einer Anhörung mit dem Grauen Kapitalmarkt beschäftigte.
Anlass der Anhörung war ein Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ( 16/13402), dessen Zielsetzung, den Anlegerschutz zu verbessern, von allen Sachverständigen unterstützt wurde. Die Fraktion kritisiert in ihrem Antrag, dass dieser Markt mit geschlossenen Fonds und Fantasieprodukten wie Bankgarantiegeschäften und Depositendarlehen bei allen Regulierungsvorhaben des Kapitalmarktes unangetastet geblieben sei.
Dabei sei der sogenannte Graue Kapitalmarkt für den Anleger viel gefährlicher als der Wertpapiermarkt, erklärte Mattil, der geschädigte Anleger vertritt. Die Berater, die diese Produkte anbieten, wüssten in der Regel gar nicht, welche Risiken für die Kunden damit verbunden seien. Nach Angaben des Wirtschaftsjournalisten Stefan Loipfinger sind auf dem Markt neben gut geschulten Beratern auch Leute zu finden, "die gerade aus dem Knast entlassen worden sind, wo sie eine Haftstrafe wegen Betruges abgesessen haben".
Mattil forderte wie andere Sachverständige eine Ausbildung und Prüfung der Berater, die zudem eine Erlaubnis für ihre Tätigkeit haben müssten. Die Produkte des Grauen Kapitalmarktes müssten in den Anwendungsbereich des Kreditwesengesetzes und des Wertpapierhandelsgesetzes einbezogen werden. Auch nach Ansicht von Professor Hans-Peter Schwintowski (Humboldt-Universität Berlin) sollten Anteile an geschlossenen Fonds in den Anwendungsbereich dieser Gesetze fallen, denn aus Sicht des Anlegers seien Information, Beratung und Dokumentation gerade bei Anteilen an geschlossenen Fonds von essenzieller Bedeutung. Nach Angaben der Kanzlei Nieding und Barth gibt es eine große Zahl von Betrugsformen. So gebe es "schwindelhafte Gesellschaftsgründungen". Der Zweck dieser Firmen bleibe in der Regel undurchsichtig. Der Sinn von Beteiligungen an atypisch stillen Gesellschaften bestehe oft nur darin, Geld von Anlegern einzutreiben. Es gebe außerdem einen vorgetäuschten Handel mit Bankgarantien, fingierte Devisenspekulationen sowie betrügerische Scheck- und Wechselprogramme. Eine der gefährlichsten und aggressivsten Verkaufstechniken für betrügerische Produkte sei das Telefonmarketing. Dass die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen (BaFin) nur die Prospekte, nicht aber das Finanzprodukt materiell prüfe, sei ein großes Problem.
Ein Vertreter der BaFin erklärte, eine inhaltliche Prüfung der auf dem Grauen Markt angebotenen Produkte durch seine Behörde sei unter den gegenwärtigen rechtlichen und personellen Bedingungen nicht leistbar. Professor Christoph Kaserer (Technische Universität München) sprach sich für die Einführung einer obligatorischen Berufshaftpflichtversicherung bei Finanzmaklern aus. Kaserer hat aber Zweifel daran, dass eine Ausweitung des Aufgabenkreises der BaFin zu einem verbesserten Anlegerschutz führen würde: "Die Effektivität dieser Kontrolle ist angesichts zahlreicher Anlegerentschädigungsfälle in Zweifel zu ziehen."
Die Deutsche Bundesbank forderte, die Anleger müssten etwaige Haftungsansprüche gegenüber Anbietern und Beratern auch durchsetzen können. Der "Verband geschlossene Fonds" verwahrte sich gegen die Gleichstellung der verschiedenen Anlageformen. Gerade geschlossene Fonds seien ein wichtiger Baustein für die private Vermögensbildung. Der Verband sprach sich unter anderem jedoch für eine Zulassungspflicht von Anbietern und eine materielle Prüfung der Verkaufsprospekte aus.
Wegen des nahenden Endes der Legislaturperiode wird es jetzt nicht mehr zu einer Regulierung des Grauen Kapitalmarktes kommen. Das Thema dürfte aber nach der Bundestagswahl neu auf die Tagesordnung kommen.