Bilder sind überall. Sie sind Abbild der Wirklichkeit oder dessen, was Betrachtende (darin) sehen: Doch ist alles objektiv oder imaginativ Sichtbare tatsächlich ein Bild? Ob der Anfang der 1990er Jahre ausgerufene "iconic turn" (Gottfried Boehm) oder "pictural turn" (William J. Thomas Mitchell), wonach alles zum Bild wird, wirklich stattgefunden hat, gerade stattfindet oder in Zukunft stattfinden wird, scheint eine eher akademische Frage zu sein. Geistes- und Kulturwissenschaftlern, insbesondere Bildwissenschaftlern, geht es dabei um den alles strukturierenden Charakter des Bildes: den "kulturellen Wandel zum Bild". Für jene, die dieser Vorstellung skeptisch gegenüberstehen, macht ein Bild "nur" etwas sicht- und erkennbar, ohne das Erkannte zugleich selbst zu sein.
Bildern wird zugeschrieben, sie könnten reden, bezeugen, provozieren, manipulieren, verleumden oder lügen. Auch von Macht, die (politische) Bilder auf unser Denken und Handeln ausübten, ist die Rede. Doch sind es nicht die Betrachtenden selbst, die sich Bilder in diesem oder jenem Sinne erschließen? Nicht die Bilder strukturieren, transportieren, verführen, manipulieren. Sie können allerdings dazu benutzt, ja sogar zu Waffen werden, mit denen Kriege begründet und Gesellschaften auf Kriege vorbereitet werden. Die Art und Weise der Präsentation und Repräsentation leitet die Interpretation.
Und die Klagen über die Flut der Bilder? Sind sie nicht Ausdruck des Unvermögens, genügend Worte für deren Inhalte zu finden? Oder treten leicht verständliche, marktgerecht aufbereitete Bilder an die Stelle von Sprache und damit des kritischen Denkens? Es wäre zu kurz gegriffen, den Eifer, mit dem heute etwa Ausstellungen besucht, Bildbände erworben, Bilder selbst hergestellt, im Internet verbreitet und als Kommunikationsmittel benutzt werden, als Indiz dafür zu werten.