Der Naturzustand der Deutschen sei "das Werden", nicht "das Sein", hat Napoleon einmal behauptet. Was für die Deutschen vor 200 Jahren galt, gilt für die Deutschen der letzten 20 Jahre erst recht. Selten ist hierzulande der gesamte Status quo so stark ins Wanken und Werden geraten wie seit dem Fall der Mauer. Ein Prozess der längst nicht abgeschlossen und daher schwer zu bewerten ist. So hält sich der Potsdamer Historiker Manfred Görtemaker in seinem faktisch fundierten und leicht lesbaren Handbuch zur "Berliner Republik" auch mit parteiischen Urteilen zur Politik von Kohl, Schröder oder Merkel zurück. Stattdessen vermisst er ebenso exakt wie nüchtern die Handlungsspielräume der Regierenden beim Einigungsprozess, bei der Neuorientierung in der Außen- und Sozialpolitik.
Zu kurz kommen Fragen nach dem Wandel der Mentalitäten, der Lebensstile oder der politischen Kultur. Insofern erfüllt Görtemaker den plakativen und schwer definierbaren Epochenbegriff "Berliner Republik" nur bedingt mit Leben. Belohnt wird der Leser dennoch mit einer souveränen Kurzfassung der allerjüngsten Zeitgeschichte.
Die Berliner Republik. Wiedervereinigung und Neuorientierung.
be.bra Verlag, Berlin 2009; 224 S., 19,90 ¤