Kurz und knapp heißt offenbar die Devise des neuen FDP-Wirtschaftsministers. Nur rund zehn Minuten dauerte die erste Rede von Rainer Brüderle - dann kehrte er mit festem Schritt zu seinem Platz auf die Regierungsbank im Reichstag zurück.
In der Generalaussprache am 11. November kündigte Brüderle an, dass die schwarz-gelbe Bundesregierung auf massive Steuerentlastungen setzen wolle, um mit steigender Kauf- und Wirtschaftskraft den Weg aus der Krise zu verkürzen. Steuersenkungen für Familien und Unternehmen im Volumen von 21 Milliarden Euro könnten ein halbes Prozent Wachstum zusätzlich auslösen, betonte Brüderle. Die Politik müsse die Weichen neu stellen: Weg von der bloßen Krisenbewältigung hin zu einer Politik, die das Wachstum nachhaltig stärke. Brüderle mahnte die Banken, ausreichend Kredite an Unternehmen zu vergeben. Wer Steuergelder entgegennehme, müsse auch seiner Verantwortung bei der Kreditvergabe nachkommen, betonte er.
Der FDP-Politiker warb für eine Renaissance der Sozialen Marktwirtschaft. Die Wirtschaft müsse wieder in geordnete Bahnen kommen, und der Staat müsse sich Zug um Zug zurückziehen. In diesem Zusammenhang sagte Brüderle, die "Hängepartie" bei Opel sei eine Warnung. Entscheidungen seien viel zu lange hinausgeschoben worden. "Der Ball liegt jetzt bei General Motors und nicht in Berlin", so Brüderle.
Hubertus Heil (SPD) kritisierte Brüderles Rede scharf. Sein Fazit: "Das war nicht dünne Suppe, das war ganz dünne Suppe". Heil nannte die Rede eine Aneinanderreihung von Allgemeinplätzen und warnte den FDP-Politiker vor einer "Grußwort-Politik". Er zweifelte an der Wirtschaftskompetenz der neuen Regierung. Die Hoffnung auf Wirtschaftsbelebung durch Steuersenkung sei schlicht "Voodoo-Ökonomie", sagte Heil. Überhaupt sei der Koalitionsvertrag im Bereich Wirtschaft wie ein "Roman mit Fehldruck - immer, wenn es spannend wird, fehlt eine Seite". Der schwarz-gelben Koalition fehle ein Konzept für die Wirtschaftspolitik. Die vom Kabinett beschlossenen Steuersenkungen seien "Klientelpolitik ohne nachhaltige Wachstumsimpulse", schimpfte der Sozialdemokrat.
Für die Union wies der Mittelstandsexperte Michael Fuchs (CDU) die Vorwürfe Heils als "Theater" zurück. Die neue Bundesregierung werde die Marktkräfte stärken, ein einfacheres und gerechteres Steuersystem schaffen sowie massiv in Bildung und Forschung investieren, damit langfristig der Wohlstand gesichert werde. Zudem sollen die Bürokratiekosten bis 2011 um ein Viertel gesenkt werden. Fuchs fügte hinzu, nur in der Wirtschaftskrise sei eine stärkere Rolle des Staates gefragt gewesen. Doch sei der Staat "nicht der bessere Unternehmer und auch nicht der bessere Autobauer".
Die Linke-Abgeordnete Sahra Wagenknecht warf Brüderle Realitätsverweigerung vor. "Wo leben Sie denn eigentlich?", fragte Wagenknecht den Minister. Es sei doch die neoliberale Wirtschaftspolitik gewesen, die zu der größten Wirtschaftskrise der Nachkriegsgeschichte geführt habe. Jetzt auf Kosten der Steuerzahler die Unternehmen und Banken zu sanieren, sei der falsche Weg. Und eine angekündigte Nachfragebelebung sei angesichts des jahrelangen Lohndumpings für Geringverdiener und Steuerentlastungen für Spitzenverdiener mehr als fraglich.
Auch die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen lies kein gutes Haar an Brüderle. "Was wir von einem Wirtschaftsminister brauchen, ist Schwung, ein Leitbild, Mut, Ideen", sagte Wirtschaftsexpertin Kerstin Andreae. Doch nichts davon verkörpere der FDP-Politiker. "Ich befürchte, uns stehen vier verlorene Jahre bevor." Statt die Chancen der Umwelttechnologie zu nutzen, behindere Brüderle mit verlängerten Laufzeiten der Atomkraftwerke die Neuausrichtung. Und eine durch Schulden finanzierte Steuerentlastung sei "unseriös und ungerecht". Andreae warf Brüderle zudem eine von Lobbyverbänden diktierte Politik vor.