SIMBABWE
Die Regierung schert sich nicht um das weltweite Abkommen gegen illegalen Handel mit Edelsteinen, denn Militär und Eliten profitieren vom Schmuggel
Internationale Bemühungen, den illegalen Handel mit Rohdiamanten einzudämmen, drohen im südlichen Afrika zu versagen. Immer mehr illegale Diamanten aus Simbabwe werden seit 2007 Händlern in Südafrika angeboten. Doch Simbabwes Nachbarn tun sich auch in diesem Punkt schwer, Präsident Robert Mugabe ernsthaft ins Gewissen zu reden. Auch das Kimberley-Abkommen, das die Finanzierung von Krieg und Konflikten durch illegale Diamanten stoppen soll, versagt in diesem Punkt - so lautet die scharfe Kritik der kanadischen Menschenrechtsorganisation Partnerschaft Africa-Canada (PAC) in ihrem jüngsten Jahresbericht.
Weil die Mitgliedsregierungen nicht hart gegen Schmuggel, Geldwäsche und Menschenrechtsverletzungen durchgriffen, sei das Abkommen nur ein zahnloser Tiger. Human Rights Watch (HRW) und PAC erheben seit Monaten schwere Vorwürfe gegen Simbabwe: Tausende Menschen waren seit Mitte 2006 nach der Entdeckung großer Diamantenfelder nach Marange in der abgelegenen östlichen Provinz Manicaland geströmt, um zu schürfen. Sie lebten unter Plastikplanen, Schmuggel und Schwarzmarkt blühten. Ende 2008 sollen hier laut Human Rights Watch in einer militärischen "Säuberungsaktion" mehr als 200 der illegalen Diamantenschürfer umgebracht worden sein. Das Militär lässt nach den Edelsteinen suchen und zwingt die lokale Bevölkerung mit Folter und Misshandlungen zur Mitarbeit, ergaben Recherchen der Organisationen. Die Regierung lässt es gewähren, weil sie ihre Soldaten kaum selbst bezahlen kann. Zudem nimmt Simbabwe 2009 offiziell rund 20 Millionen Euro durch Diamanten ein - eine wichtige Größe im maroden Haushalt des heruntergewirtschafteten Landes.
Seit 2003 ist zwar ein vielgerühmter Zertifizierungsprozess für Rohdiamanten in Kraft, der solchem Treiben Einhalt gebieten könnte. Die 49 Mitglieder des Abkommens - darunter auch Simbabwe - dürfen demnach nur solche Rohdiamanten handeln, für die offizielle Herkunftszertifikate des jeweiligen Ursprungslandes vorliegen. Doch schon die Jahreskonferenz im Juni in der namibischen Hauptstadt Windhoek ließ Zweifel an der Wirksamkeit aufkommen. Drei Tage berieten 200 Delegierte von 22 Mitgliedsländern hinter geschlossen Türen. Simbabwes Vizebergbauministerin Murisi Zwizwai hielt bei dem Treffen daran fest, dass "in Marange niemand von Sicherheitskräften umgebracht wurde". Vielmehr sei Anfang 2009 ein "Sondereinsatz" durchgeführt worden, weil sich 30.000 illegale Kleinschürfer in dem Gebiet sesshaft gemacht hätten.
Der Kimberley-Prozess läuft nun Gefahr, an Glaubwürdigkeit zu verlieren, wenn nicht energischer gegen Simbabwe durchgegriffen wird. Ian Smillie, der lange Jahre für PAC tätig war und als "Architekt" des Prozesses gilt, warnte: "Der Prozess hat viel erreicht, aber droht nun zu versagen".
Immerhin: Mitte der 1990er Jahre stammten bis zu 15 Prozent aller Diamanten aus Rebellengebieten, heute sind es offiziell nur noch 0,1 Prozent. Doch Smillie bemängelt, das Veto eines einzigen teilnehmenden Landes könne Entscheidungen aufhalten, Probleme würden von einer Arbeitsgruppe zur nächsten geschoben. "Der Kimberley-Prozess muss transparenter werden, Überprüfungen sollten von einem unabhängigen Gremium erfolgen, nicht von den teilnehmenden Ländern, die sich bisher gegenseitig überwachen", fordert er.
Auch in Deutschland gibt es Kritik: "Eine frühzeitiger begonnene Überprüfung in Simbabwe hätte ein weiteres positives Signal für den Kimberley-Prozess gegeben", sagt der SPD-Entwicklungsexperte Sascha Raabe. Dass alle Teilnehmer an einer wirksamen Einhaltung und Durchsetzung der Zertifizierungs-Bedingungen interessiert seien, habe ein zeitweiliger Ausschluss der Republik Kongo deutlich gemacht, sagt der Bundestagsabgeordnete. Bereits im Juli 2009 riet eine Delegation des Kimberley-Prozesses nach einer Reise nach Marange, Simbabwe sechs Monate lang zu suspendieren. Auch sie hatte Belege für Tötungen und Zwangsarbeit gefunden. Doch die Mitglieder zögern - bis heute.
Ein Grund könnte auch die Definition von Konfliktdiamanten sein, die sich im Falle Simbabwes überholt hat: Laut Kimberley-Abkommen ist dies ein Diamant, mit dessen Erlös Konflikte finanziert werden. Sie werden meist illegal geschürft, geschmuggelt und verkauft, um Rebellen- oder Invasionstruppen zu finanzieren. Es kommt jedoch auch in Abbaugebieten, in denen wie im Fall Simbabwe offiziell Frieden herrscht, zu Menschenrechtsverletzungen. Daher plädieren einige Organisationen für eine Erweiterung der Definition. Als Blut- oder Konfliktdiamanten sollten demnach alle Diamanten bezeichnet werden, die unter Verletzung von Menschenrechten abgebaut werden. Dem schließen sich auch die Grünen an: "Treffender wäre eine Definition, die jegliche Art von Menschenrechtsverletzungen, auch staatliche, die beim Diamantenabbau und in den von Diamanten finanzierten Konflikten auftreten, umfasst", sagt die entwicklungspolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen, Ute Koczy. "Auch halten wir eine Zertifizierung für sogenannte ,Friedensdiamanten' für notwendig." Diese könnte Käufern Sicherheit geben. Die Grünen fordern ebenfalls, Simbabwe mindestens ein halbes Jahr lang vom Kimberley-Prozess auszuschließen, um den Diamantenschmuggel und die Ausbeutung in der Region zu stoppen.
Auch die FDP drängt zu Entscheidungen: Illegaler Handel mit Rohstoffen senkt die Entwicklungschancen der betroffenen Staaten und Gesellschaften, da die so gewonnenen Gelder nicht der Bevölkerung zugute kommen, meint der Entwicklungsexperte der FDP-Fraktion, Hellmut Königshaus. Es brauche daher mehr Transparenz im Ressourcensektor. "Das Besondere an der Situation in Simbabwe ist, dass es sich nicht um Rebellen handelt, die illegal Diamanten schürfen, sondern um das Militär im Auftrag der Regierung von Präsident Mugabe", ergänzt Königshaus.
Und nicht nur in Simbabwe finden Menschenrechtsverletzungen statt, wenn es um Diamanten geht: In Angola gibt es Tausende von informellen Kleinschürfern, die laut HRW und PAC von der Regierung aus den Abbaugebieten verjagt werden, Prügel und Vergewaltigungen sind an der Tagesordnung. Schürfer aus dem benachbarten Kongo wurden brutal abgeschoben. Kontrollen sind in diesem Land immer noch so schwach, dass es unmöglich ist, die Herkunft von Diamanten tatsächlich zweifelsfrei festzustellen.
"Entscheidendes Defizit des Kimberley-Prozesses ist, dass er die sozialen Bedingungen des Diamantenabbaus bisher weitgehend ausklammert", sagt Heike Hänsel von der Fraktion Die Linke. "Wenn Vertreibungen und menschenunwürdige Arbeitsbedingungen den sonst lückenlos dokumentierten Diamantenabbau prägen, müssen Sanktionsmöglichkeiten innerhalb des Kimberly-Prozesses geschaffen werden." Genützt haben die Forderungen bisher nichts. Bei ihrem Jahrestreffen Anfang November konnten die Kimberley-Mitglieder sich nicht zu Sanktionen gegen Simbabwe durchringen. Gestützt insbesondere von Namibia, das den turnusgemäßen Vorsitz des Gremiums inne hat, kam die Regierung Mugabes wieder einmal davon.
Bis Juni 2010, heißt es nun, solle Harare zu den möglichen Menschenrechtsverletzungen auf seinen Diamantenfeldern Stellung nehmen. "Das hilft nichts, solange das Militär dort weiterhin Menschen missbraucht", kritisiert die HRW-Mitarbeiterin Tiseke Kasambala. Irgendwann müsse die SADC "ihre Zähne zeigen". Bis dahin allerdings kann die Armee die Bewohner Maranges mit vorgehaltener Waffe weiterhin ausbeuten.
Die Autorin ist gebürtige Namibierin und arbeitet in Windhuk für die englischsprachige Tageszeitung "The Namibian".