EXTREMISMUS
Eine Minderheit wartet auf die Rückkehr der Apartheid
Extremistische Parteien hatten bei den Wahlen im April 2009 in Südafrika keine Chance. Selbst die Vryheidsfront Plus konnte nur knapp 150.000 Stimmen für sich verbuchen. Bei der ersten freien Wahl der jungen Nation hatten 1994 immerhin noch rund eine halbe Million Wähler für diese rechtsextreme Partei gestimmt. In der Nationalversammlung ist sie trotz ihres schwachen Abschneidens mit vier Abgeordneten vertreten. Ihr Anführer Pieter Mulder wurde von Präsident Jacob Zuma im Zuge seiner Politik der Integration von Minderheiten sogar zum stellvertretenden Landwirtschaftsminister berufen.
Nur in einem kleinen Dorf in der Großen Karoo hat die Vryheidsfront einen überwältigenden Sieg errungen: In Orania erhielt sie 242 von 279 abgegebenen Stimmen. Dort am Orange River träumen rund 1.500 Einwohner auch 15 Jahre nach dem Ende der Apartheid noch von einem "Volksstaat" der Buren. Nur weiße, Afrikaans sprechende Südafrikaner werden in die Gemeinschaft aufgenommen. Sie leben so, wie es sich viele Weiße am Kap erträumen: wohlhabend, sicher, christlich und unter sich - anders als im von Armut, Aids und Kriminalität geprägten Alltag in den Städten. Extremismus, Terrorismus, Separatismus und Geheimbünde haben die Geschichte Südafrikas immer geprägt. Meist waren Buren die treibende Kraft. Der letzte ernsthafte Plan wurde 2002 aufgedeckt, als die Separatistenbewegung Boeremag einen eigenen Burenstaat herbeibomben wollte. Erfolgreich war kein Versuch, das Rad in Südafrika mit Gewalt zurückzudrehen. Doch in einem Land, in dem die alltägliche Apartheid noch immer funktioniert, sitzt die Angst der schwarzen Mehrheit vor der Rückkehr des weißen Mannes tief. Bei den fremdenfeindlichen Unruhen im Frühjahr 2008 und bei den Ausschreitungen im Sommer 2009 sprachen sogar Kabinettsmitglieder davon, dass geheimnisvolle Drahtzieher im Hintergrund mit Pogromen und brennenden Barrikaden das Feld für einen Umsturz bereiten wollten. Die Zahl der wirklich gewaltbereiten Extremisten am Kap dürfte jedoch klein sein. Die Schein-Idylle von Orania dagegen hat eine gefährliche Faszination gerade für die, die das Ende der Apartheid immer noch nicht akzeptiert haben. In Kleinfontein ist kürzlich eine neue weiße Wagenburg entstanden. Aber wie die Vryheidspartei ist auch sie eine Minderheit.
Der Autor ist Korrespondent der "Stuttgarter Nachrichten" in Kapstadt.