SIMBABWE
Die Koalition mit der Opposition ist ein Grund, warum der Präsident noch an der Macht ist. Ein Essay
Die derzeitige Lage in Simbabwe sieht auf den ersten Blick wie eine leichte Verbesserung aus. Sie ist aber nur eine rein kosmetische Veränderung. Orchestriert wird sie vom umstrittenen Präsidenten Robert Mugabe und seinem Gefolge in der Regierungspartei Zanu-PF, die um jeden Preis um ihren Machterhalt kämpfen. Daher vermitteln sie derzeit den falschen Eindruck wirtschaftlicher Erholung und erster Schritte zu einer demokratischen Reform mithilfe der Koalition mit der früheren Oppositionspartei "Bewegung für einen demokratischen Wandel" (MDC). Sie hatte Mugabe in den Präsidentschaftswahlen des vergangenen Jahres besiegt und sollte jetzt legitimerweise die Regierung stellen.
Die Koalition der beiden wirkt wie ein Schmerzmittel für die Simbabwer, die weiterhin unter der wirtschaftlichen Misere und Traumatisierung durch politische Gewalt und Folter leiden. Grundnahrungsmittel stehen mittlerweile wieder in den zuvor leeren Regalen der Supermärkte. Doch auch wenn Lebensmittel, Treibstoff und Medikamente wieder vorhanden sind, sind sie für viele Simbabwer, insbesondere auf dem Land, zu teuer. Die wenigen positiven Anzeichen reichen nicht, um ohne weiteres wieder Normalität nach Simbabwe zu bringen. Denn das Land krankt weiter an der unrechtmäßigen Diktatur Mugabes, die jetzt auch noch von der MDC gestützt wird. So lange aber die Zanu-PF das Ruder in der Hand hat, wird die Krise andauern. Die Gefahr eines Militärputsches oder gar eines Genozids bleibt hoch, insbesondere dann, wenn die Nachfolge des 85-jährigen Mugabe nicht politisch geschickt angegangen wird. Es gibt innerhalb der Zanu-PF bereits einen harten Kampf um seinen Posten, aber keinen Konsenskandidaten, geschweige denn einen Zeitpunkt für den Rücktritt Mugabes. Die einflussreichen Militärs des Landes machen kein Geheimnis daraus, dass sie sich einen Nachfolger wünschen, der sich im Befreiungskrieg seine Lorbeeren verdient hat. Es scheint zunehmend, als wollte die Armee die Frage nach dem kommenden Präsidenten persönlich regeln.
Jetzt mithilfe einer heuchlerischen Machtteilung die Symptome zu kurieren, tut dem Land nicht gut. Denn Mugabe und sein Team stehen nicht hinter der Koalition und bereiten sich bereits auf die nächsten Wahlen vor, während das Volk treuherzig auf die sogenannte "Regierung nationaler Einheit" (Government of National Unity, GNU) vertrauen soll. Dass Mugabe nach fast drei Jahrzehnten immer noch das Land regiert, ist erschreckend. Er hat die Wirtschaft ruiniert und das Land durch seine verpfuschte Landreform vor zehn Jahren in den Hunger getrieben. Für seinen Machterhalt gibt es jedoch Gründe. Zum einen hat Mugabe, was viele nicht wissen, Simbabwe jahrelang nur an der Oberfläche als ziviler Staatschef regiert. Tatsächlich aber stützt ihn eine machtvolle Clique pensionierter und amtierender Generäle, einflussreicher Mitglieder aus Polizei und Nachrichtendienst. Diese treuen Anhänger führen eine geheime Parallelregierung, die Simbabwes Kabinett und Parlament zu Marionetten reduzieren.
Dass Herausforderer Morgan Tsvangirai im vergangenen Jahr nicht Präsident wurde, liegt somit auch an seinem fehlenden militärischen Rückhalt. Mugabe kontrolliert die Armee, die Luftwaffe, den Geheimdienst und die Polizei, ebenso die Justiz. Die meisten Richter sind von ihm benannt und als Unterstützer der Zanu-PF bekannt, ungeachtet der Tatsache, dass Richter eigentlich unabhängig sein sollten. Ein auf Patronage beruhendes Staatssystem hat ebenfalls dazu beigetragen, dass der Status Quo erhalten blieb. Mugabe hat angepasste Mitarbeiter der Regierung schon immer belohnt und tut dies weiterhin. Korruption zieht sich bis in die höchste Ebene. Aus Angst vor dem Verlust ihres Reichtums ist für viele ein neues politisches Machtgefüge undenkbar.
Der dritte und vielleicht wichtigste Faktor für Mugabes Machterhalt ist die Ausbeutung von Simbabwes Bodenschätzen im Austausch für finanzielle Hilfen und Darlehen von Ländern wie China. Das Land hat sich die Platinreserven Simbabwes zu einem Schleuderpreis gesichert. Schmuggel und illegaler Handel mit Diamanten haben Berichten zufolge Mugabe geholfen, das Land am Laufen - und das Militär gnädig - zu halten. Uran, das erst vor zwei Jahrzehnten im Land entdeckt wurde und dessen Erschließung ein Staatsgeheimnis ist, soll ebenfalls als Lockmittel für neue Verbündete im Ausland dienen. Neben China sind offenbar Iran und Nordkorea an einer Nutzung interessiert.
Simbabwe ist immer noch zu großen Teilen eine Gesellschaft, die auf Angst aufbaut. Die MDC hat wenig Einfluss und wird von Mugabe vor allem genutzt, um wieder Investitionen, Hilfe und Touristen ins Land zu bekommen - insbesondere jetzt, wo die Fußball-WM in Südafrika vor der Tür steht. Deshalb hat die MDC die Ministerien für Finanzen, für Wirtschaftsplanung und Investitionsförderung erhalten. Der Plan geht auf: Deutschland hat als größter Geber innerhalb der EU 25 Millionen Euro an Hilfe zugesichert, als Tsvangirai im Juni westliche Nationen besuchte. Die USA steuerten 73 Millionen US-Dollar bei. Kanzlerin Angela Merkel will mehr geben, wenn die demokratischen Reformen in Simbabwe ernsthaft angegangen werden.
Ein weiterer Grund, warum die Zanu-PF mit der MDC zusammenarbeitet, sind die Sanktionen der EU und USA gegen Mugabe und seine Verbündeten. Sie hoffen, dass die einstige Opposition für eine Aufhebung sorgen kann. Die MDC ist auch nötig, um jeglichen Versuch zu verhindern, Mugabe und andere Parteiangehörige wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag zu bringen. Mugabe lässt derweil MDC-Parlamentarier festnehmen, unter anderem wegen Banalitäten wie dem Abspielen "verleumderischer" Klingeltöne auf ihrem Handy. Die Mehrheit der MDC im Parlament wird so stetig erodiert. Einige erhielten Todesdrohungen. Tsvangirai selbst überlebte in diesem Jahr einen mysteriösen Autounfall, bei dem seine Frau ums Leben kam.
Es scheint, als habe Tsvangirai diesen Vorfall und andere heruntergespielt, damit die politische Lage sich stabilisiert und GNU eine Chance erhält. Tatsächlich aber sind Tsvangirai und der MDC nur ein Rädchen in einem Getriebe, das sie nicht kontrollieren - solange es keine fairen und demokratischen Wahlen in Simbabwe gibt. Die MDC könnte das Land zwar wieder nach vorne bringen, weil sie vom simbabwischen Volk unterstützt wird. Doch durch die unselige Koalition sind ihr die Hände gebunden. Jetzt ist sie nur ein Juniorpartner in einer Regierung mit jenen, die die Wahl verloren haben. Sie hat deren Fortune wiederbelebt und ihnen einen politischen Rettungsring zugeworfen. Mugabe und seine Partei sind der einzige Stolperstein für einen Fortschritt des Landes. Obwohl es immer heißt, dass der einstige Held der Befreiung von der rhodesischen Kolonialherrschaft von den afrikanischen Staatschefs größtenteils gestützt wird, stellt sich die Wahrheit anders dar. Er wird größtenteils symbolisch als der älteste politische Führer unterstützt - eine reine Geste des Respekts gegenüber Älteren. Öffentlich zeigen sie Solidarität, doch hinter vorgehaltenen Händen verfluchen sie die Art, wie Mugabe die einstige Kornkammer Afrikas in eine Klapsmühle verwandelt hat.
Der simbabwische Journalist lebt im "Writers in Exile"-Programm des P.E.N.-Zentrums Deutschland in Köln und schreibt für verschiedene internationale Zeitungen. 2007 fand er sich auf einer "schwarzen Liste" der Regierung wieder und konnte nach einem Deutschland-Aufenthalt nicht in sein Heimatland zurück.
Übersetzung: Ann Kathrin Sost