SIMBABWE
Präsident Mugabe enteignete nicht nur Tausende Landbesitzer. Auch Millionen Menschen verloren ihren Job
Die Wunden sind verheilt, zurück bleiben kleine Narben. Und dieser Blick, in dem die Trauer inzwischen stärker als die Wut ist. Ben Freeth hat lange gekämpft. Er hat zusammen mit seinen Schwiegereltern Simbabwes Präsidenten Robert Mugabe verklagt. Mit Erfolg: Ein Gericht der Südafrikanischen Entwicklungsgemeinschaft (SADC) in Namibia ordnete an, die Farmbesetzungen müssten aufhören. Die Polizisten lachten, als Freeth ihnen das Urteil zeigte. Später wurde er entführt und gefoltert, wochenlang lag er im Krankenhaus. Wieder lachten die Polizisten.
Freeth, 39 Jahre alt, will nicht gehen. Der Mango-Bauer gehört zu den letzten 300 von einst 4.500 weißen Farmern in Simbabwe. Zusammen mit seiner Frau Laura sitzt er am Frühstückstisch. Erdbeermarmelade auf Vollkorntoast, dazu starker Kaffee. Um den Tisch wuselt Tochter Anna, vier Jahre alt. Draußen blüht alles. Es könnte ein idyllischer Morgen in Chegutu sein, am Rande einiger der fruchtbarsten Felder Simbabwes, 150 Kilometer südwestlich der Hauptstadt Harare. Wären da nicht die tiefen Augenringe des Ehepaares und ihre Erzählungen.
Seit dem 17. April wurden die Farmer nicht mehr auf ihre Mango-Farm gelassen, die nur ein paar Kilometer entfernt liegt. Nathan Shamuyarira, ehemaliger Informationsminister Simbabwes und wie sein Weggefährte Robert Mugabe 85 Jahre alt, beansprucht das Gelände. Er hat seine bewaffneten Schergen geschickt. Längst ist die Ernte für dieses Jahr verfault. Wenn nicht bald Dünger und Schadstoffmittel an die Bäume kommen, müssen sie neu gepflanzt werden - dann wird die größte Mango-Farm des Landes erst im Jahr 2020 wieder Gewinne abwerfen.
Das Paar ist zäh. 4.500 weiße Farmer gab es bis zum Jahr 2000 in Simbabwe, die Freeths gehören zu den 300, die neun Jahre später übrig geblieben sind. In mehreren chaotischen Landreformen hat Präsident Robert Mugabe rund elf Millionen Hektar Land neu verteilt - offiziell an rund 300.000 kleine Farmer, während die Weißen laut "Land Acquisition Act" für die Besitztümer auf dem Land entschädigt werden sollten.
Die meisten Höfe aber gingen schlicht ohne jede Zahlung an Politiker von Mugabes Regierungspartei ZANU-PF, die keine Ahnung von Landwirtschaft haben und die Felder verrotten ließen. Das Material wurde gestohlen. Mit den weißen Farmern, die gewaltsam verjagt wurden, verloren Millionen Arbeiter ihren Job. Heute hat das Land eine Arbeitslosenquote von 94 Prozent. "Sie haben der Wirtschaft das Rückgrat gebrochen", sagt Ben Freeth, "das ist wie bei einem Tier. Wenn man dem die Wirbelsäule bricht, kann es auch nicht mehr laufen. Es stirbt."
Lange galt Simbabwe, das bis zur Unabhängigkeit im Jahr 1980 von der weißen Minderheit menschenverachtend regiert wurde, als Vorbild für eine friedliche, post-koloniale Transformation. Inzwischen aber leben vier bis fünf Millionen Simbabwer im Exil. Aber: Nicht alle sind gegangen, auch nicht alle enteigneten Farmer. Doch vielen ist es nicht gelungen, Existenzen in anderen Geschäftsbereichen aufzubauen, die weniger emotional geprägt sind als der Besitz und die Bepflanzung von Land. In Simbabwe gilt ein Mann oft nur dann als komplett, wenn er ein Grundstück besitzt. Auch das macht das Thema der Landreformen so kompliziert - es geht um mehr als um den wirtschaftlichen Faktor.
Im Jahr 2000 verlor Mugabe eine Volksabstimmung für eine neue Verfassung, in der die Enteignung weißer Farmer vorgesehen war. Veteranen des Befreiungskampfes setzten das gescheiterte Dokument in den folgenden Tagen dennoch um. In den manipulierten Wahlen des Jahres 2002 machte Mugabe die Landreform zum zentralen Thema seines Programms, danach verließ die Mehrheit der Farmer das Land.
All die Jahre blieben die Freeths, mit ihren drei Kindern. Ben Freeth ist stark und wehrt sich - als erster Farmer hat er im Jahr 2008 zusammen mit seinem Schwiegervater Mugabe vor das SADC-Tribunal im namibischen Windhoek geschleppt. Nie zuvor war der Diktator von einem internationalen Gericht angeklagt worden. 77 weiße Farmer schlossen sich der Klage an. Vor einem Jahr entschieden die Richter, die Invasionen müssten aufhören und forderten Mugabe zum Schutz der Farmer auf. Vergeblich, die Invasionen wurden nie gestoppt, selbst unter der neuen Regierung nicht.
Im Februar einigte sich der Wahlgewinner des Jahres 2008, Morgan Tsvangirai vom Movement of Democratic Change (MDC), mit Mugabe. Seitdem hat das Land den durch Inflation wertlos gewordenen Simbabwe-Dollar durch den US-Dollar ersetzt - kurz nach Einführung der 100-Trillionen-Dollar-Banknote. Ausländische Investoren zeigen wieder mehr Interesse an Simbabwe. Die Menschenrechtslage aber ist weiter katastrophal, das Leid fast unvermittelt groß.
Tsvangirai beteuerte im Juni bei Staatsbesuchen gegenüber Bundeskanzlerin Angela Merkel und US-Präsident Barack Obama, dass es keine Farmbesetzungen mehr gebe. "Eine glatte Lüge", sagt Ben Freeth. Er holt seinen Laptop aus dem Nachbarzimmer und liest E-Mails von anderen Farmern der Gegend vor - Berichte von Vertreibungen, Diebstählen, sogar zwei Morden. "Wenn der MDC nicht bald die Augen öffnet, wird er selbst zum Teil der ZANU-PF und damit Teil des Problems", sagt Freeth. Der Internationale Währungsfonds hat inzwischen Kredite von 400 Millionen US-Dollar zugesagt. Eine EU-Delegation, die das Land Anfang September bereiste, aber stellte die Aufhebung von Sanktionen erst nach einer Normalisierung der Regierungsarbeit und demokratischen Reformen in Aussicht.
Davon ist Simbabwe weit entfernt. Selbst Gerichte innerhalb des Landes haben den Freeths Recht gegeben. Trotzdem weigerte sich die Polizei einzugreifen, als die Farm im April besetzt wurde. Dafür stellten sich die 150 Arbeiter den Eindringlingen in den Weg. Sie hatten oft genug gesehen, dass mit den Besetzungen der Farmen die Existenzgrundlage der Arbeiter selbst entzogen wurde.
Oft mangelt es den neuen Besitzern an Fachwissen, um eine Farm zu bewirtschaften. Doch die Industrie für Düngemittel und Schadstoffbekämpfung ist in dem Land längst zusammengebrochen, Zulieferer boykottieren illegal besetzte Farmen. Die internationale Landwirtschaft weigert sich meistens, derart produzierte Ware zu kaufen.
Die erste Attacke der ZANU-PF-Leute wehrten die Arbeiter ab, mit Traktoren schleppten sie die gefesselten Besetzer vom Grundstück. In der Nacht aber waren sie gegenüber den Angreifern in der Unterzahl, wurden vertrieben. Längst hat sich die Polizei zum Komplizen der Landbesetzer gemacht.
Das war sie schon im vergangenen Jahr: Am 26. Juni 2008 erhielt Ben Freeth einen Notruf vom Haus seiner Schwiegereltern, die eineinhalb Kilometer entfernt leben. Nathan Shamuyarira, im Nebenberuf Mugabe-Biograf, machte erstmals mit seinen Leuten ernst, nachdem die Familie die Klage gegen Mugabe eingereicht hatte.
Als Freeth vor dem Haus anhielt, zerschmetterte einer von Shamuyariras Handlangern mit einem Stein das Fahrerfenster, sein Kopf wurde mit einem Gewehrkolben fast eingeschlagen. Er wurde gefesselt zusammen mit den Schwiegereltern auf die Ladefläche gelegt. 50 Kilometer fuhren die Entführer die Familie, bis zur Pickstone-Mine. Als sie dort ankamen, war es bereits Nacht.
Sie wurden mit kaltem Wasser überschüttet, längst hatten die Schläge bei ihnen zu Rippenbrüchen geführt. Freeths Schwiegermutter Angela hatte einen gebrochenen Arm. Mit einer Peitsche aus Nilpferd-Haut wurden die Füße der drei Farmer gefoltert, bis sie schließlich eine Absichtserklärung unterzeichneten, die Klage gegen Mugabe fallen zu lassen.
Danach wurde die Familie auf einer staubigen Straße der Kleinstadt Kadoma liegen gelassen. Freeths Stimme stockt, wenn er von diesem Trauma spricht: "Bis heute ist dafür keiner verhaftet worden."
Dem Farmer geht die Kraft aus, auch wenn er das Gegenteil beteuert. Auf den Konten der Farm sind noch 1.600 US-Dollar und 2.000 Südafrikanische Rand - umgerechnet zusammen weniger als 1.600 Euro. Doch ir-gendwie behält Ben Freeth, ein religiöser Mensch, seinen Glauben. "In Russland und Ostdeutschland hat es viele Jahrzehnte gedauert, bis die Dinge sich zum Guten geändert haben. Kein Unrechtsregime besteht bis in alle Ewigkeit", sagte er beim Besuch unserer Zeitung. Schlimmer könne es nicht werden.
Doch nur wenige Wochen später brannte sein Wohnhaus ab. Die Freeths machen Kriegsveteranen für die Brandstiftung verantwortlich. Sie kamen, als die Familie in der Kirche war. Jetzt wohnen sie erst einmal bei einer befreundeten Familie in der Hauptstadt Harare - und wollen bleiben, trotz der Angst um das eigene Leben. "Wir haben den Arbeitern versprochen, zurückzukommen und alles wieder aufzubauen", sagt Laura Freeth einem Radiosender. Eines Tages.
Der Autor arbeitet als freier Südarika- Korrespondent in Johannesburg, unter anderem für "Die Welt".