WIRTSCHAFT
Mosambik verschleppt Reformen, Südafrika hofft auf die WM, Botsuana setzt auf Infrastruktur
Der Sambesi ist einer der mächtigsten Ströme Afrikas. Über 3.540 Kilometer durchquert er von Mosambik bis Sambia die schönsten Landstriche des südlichen Afrika. Gleichzeitig ist er für die Region aber auch eine massive Entwicklungsschranke: Auf seinem langen Weg zum Indischen Ozean überspannen ihn nur neun Brücken - von denen wiederum nur fünf mit dem Auto befahrbar sind. Im August kam in Mosambik eine neue, zehnte Brücke von 2.375 m Länge hinzu, die für das südostafrikanische Land eine neue Ära einläuten könnte. Nord- und Südmosambik könnten durch sie nun endlich zusammenwachsen und dem Land einen dringend benötigten Entwicklungsschub geben.
Ob dies gelingt, ist nach den Erfahrungen der Vergangenheit jedoch keineswegs sicher. Denn einen Binnenhandel, der diesen Namen auch verdient, sucht man sowohl in Mosambik als auch der übrigen Region vergeblich.
Zumeist exportieren die Länder nur einen einzelnen Rohstoff nach Übersee, wie etwa Sambia sein Kupfer oder Angola sein Öl. "Die Wirtschaftsstruktur ist noch fast die gleiche wie in der Kolonialzeit", sagt Greg Mills von der Johannesburger Brenthurst Foundation. "Anders als Asien hat Afrika seine Wirtschaft kaum diversifiziert." Wer Mosambiks Überlandstraßen befährt, trifft deshalb auch nur selten auf Lastwagen oder andere Anzeichen wirtschaftlicher Aktivität. 33 Jahre nach der Unabhängigkeit des Landes beschränkt sich seine Entwicklung noch immer fast ganz auf die im äußersten Süden gelegene Hauptstadt Maputo und ihr Umland.
Zwar lag Mosambiks Wachstumsrate in den letzten Jahren laut Weltbank im Schnitt bei acht Prozent. Gleichwohl ist diese zunächst beeindruckende Zahl vor allem einem einzigen industriellen Großprojekt geschuldet: der zwei Milliarden US-Dollar teuren Aluminumschmelze Mozal, die vor neun Jahren den Betrieb aufnahm. Eine Ausweitung der Produktion von Mozal dürfte daran scheitern, dass Mosambik den notwendigen Strom nicht liefern kann.
Dabei zählt die frühere portugiesische Kolonie genau wie Angola in der Region seit einiger Zeit zu den Ländern, die Weltbank und IWF unermüdlich als Vorzeigemodell präsentieren. Bei genauerem Hinsehen stellt sich die Frage, wo genau die oft beschworenen Reformen sind. Stattdessen drängt sich der Eindruck auf, dass der Westen mittlerweile jene Staaten zu Erfolgsgeschichten überhöht, die anders als Simbabwe nicht völlig abgestürzt sind. Selbst in Südafrika, dem einzigen Industrieland des Kontinents, haben die verheerenden Stromausfälle im letzten Jahr für Ernüchterung gesorgt. Inzwischen dämmert es der internationalen Geschäftswelt, dass der mit Abstand wichtigste Investitionsstandort in Afrika auf einem wackligeren Fundament steht als zuvor angenommen. Dabei hat das Land am Kap beste Bedingungen, zur Zugmaschine der Region zu avancieren. "Südafrika hat noch immer eine hervorragende Infrastruktur, ein modernes Finanzsystem und Eigentumsrechte - eben eine Marktwirtschaft mit unternehmerischem Geist", lobt der im Textilwesen tätige Geschäftsmann Claas Daun, einer der größten Privatinvestoren am Kap. "Während Deutschland in Vorschriften erstickt, spüre ich in Südafrika noch immer eine gewisse Aufbruchsstimmung."
Auch das Aufkommen einer (kleinen) schwarzen Mittelschicht ist ermutigend. Der zarte Wirtschaftsaufschwung in den letzten Jahren und die Vergabe der Fußball-WM 2010 haben bei den Machthabern inzwischen jedoch zu einer Selbstzufriedenheit geführt, die Gefahren birgt. Im Grunde müsste Südafrika nämlich viel kräftiger als in den vergangenen Jahren wachsen, um seine hohe Arbeitslosigkeit und Armut spürbar zu verringern. "Selbst die vom ANC angepeilte Wachstumsrate von sechs Prozent ist für ein Schwellenland mit dem Potenzial Südafrikas eigentlich viel zu tief, zumal wir hier gerade erst in die erste Rezession seit 17 Jahren geschlittert sind", sagt Nedbank-Chefökonom Dennis Dykes.
Statt ein attraktives Umfeld für ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum zu schaffen, versucht der ANC, das Land durch immer mehr staatliche Intervention und Umverteilung auf einen höheren Wachstumspfad zu führen. Dazu gehört neben hohen Sozialhilfetransfers auch die Politik des Black Economic Empowerment (BEE). Die Form und Folgen dieser vom ANC forcierten Politik, die eine schnelle Integration der schwarzen Bevölkerung in die von den Weißen dominierte Wirtschaft anstrebt, sind inzwischen heftig umstritten. "BEE hat den Eliten genützt und einige wenige Schwarze zu Oligarchen gemacht, aber für die große Mehrheit der Schwarzen fast nichts gebracht", kritisiert der Analyst Moeletsi Mbeki in seinem neuen Buch "Architects of poverty".
Im Gegenteil: Die Schere zwischen Arm und Reich hat sich am Kap noch viel weiter geöffnet. Zudem hat sie der Korruption Tür und Tor geöffnet. Das stimmt bedenklich, weil ihr Anstieg fast allen Staaten Afrikas nach der Unabhängigkeit zum Verhängnis wurde - und jedwede wirtschaftliche Entwicklung oft schon im Keim erstickte. Symptomatisch dafür ist die Entwicklung Angolas, das wegen seiner reichen Öl- und Diamantenvorkommen heute gemeinhin als die große Hoffnung der Region gilt. Mitte September feierte Staatschef Eduardo dos Santos den 30. Jahrestag seines Machtantritts. Damit ist er nun hinter Muammar Gaddafi der am längsten herrschende Staatschef in Afrika. Und wenig deutet auf einen baldigen Rückzug des 67-Jährigen hin. Für Angola selbst hat sich die lange Herrschaft des hochkorrupten MPLA-Regimes als Fluch erwiesen: Rechtsstaatlichkeit, Transparenz und vor allem Korruptionsbekämpfung spielen eine denkbar kleine Rolle.
Manche Beobachter machen indes geltend, dass sich die Machthaber in Luanda nun mehr als früher um den Wiederaufbau des vom Bürgerkrieg zerstörten Landes mühten. Ist es also überhaupt von Bedeutung, ob dos Santos sich nun womöglich zum Präsidenten auf Lebenszeit kürt und mit seinen Freunden an den Ölfeldern vor der Küste bereichert? Die meisten Kenner der Lage bejahen dies. So dürfte das wirtschaftliche Umfeld in Angola unter dos Santos äußerst riskant bleiben. Jeder Unternehmer, der mit der Regierungsmafia in Luanda in Konflikt gerät, muss sich auch künftig auf nicht wirklich unabhängige Gerichte und jahrelang hinziehende Verfahren einstellen.
Dabei gibt es in der Region neben Südafrika gleich zwei weitere Beispiele dafür, wie auch arme Länder wirtschaftlich prosperieren können: Mauritius hat dies mit der Einrichtung von Freihandelszonen seit 1971 eindrücklich bewiesen.
Aber auch Botsuana ist die Umstrukturierung seiner traditionellen Wirtschaft erfolgreich angegangen. Zwar hat die Finanzkrise dem afrikanischen Binnenstaat zuletzt arg zugesetzt und seine wichtige Diamantenindustrie schwer gebeutelt. Doch zeigt das Land, was bei einer engeren Kooperation von Staat und Privatsektor in Afrika möglich wäre.
Parallelen zum Nachbarn Namibia sind unübersehbar: Hier wie dort ist der Diamantenförderer De Beers der größte Steuerzahler im Land und begründet dessen Reichtum. In den ersten 20 Jahren seiner Eigenständigkeit wies Botsuana mit seinen zwei Millionen Menschen dabei sogar das weltweit schnellste Wirtschaftswachstum auf. Dies ist umso bemerkenswerter, als das Steppenland zum Zeitpunkt seiner Unabhängigkeit im Jahre 1966 nur knapp zehn Kilometer Teerstraße und vier Schulen besaß. Mit den Steuereinnahmen konnte seine Regierung damals nicht einmal die Verwaltungskosten decken.
Als 1967 in der Kalahariwüste Diamanten gefunden wurden, stieg das ehemalige britische Protektorat fast über Nacht zu einem wohlhabenden Staat mit mittlerem Einkommen empor. Anders als andere Staaten in Afrika verschleuderte die Regierung den neuen Reichtum nicht blindlings, sondern legte ihn klug an: So wurden 6.000 Kilometer Straße asphaltiert, ein hochmodernes Kommunikationsnetz etabliert und ein vorbildliches Gesundheits- und Bildungswesen geschaffen.
Botsuana erkannte frühzeitig: Wo der Staat fehlt, gibt es keine Straßen und keine Bahn und somit auch weder Handel noch Tourismus. Die vielen Kleinfarmer, die im südlichen Afrika zumeist nur für den Eigenbedarf produzieren, können ihre geringen Überschüsse deshalb auch oft nur in der unmittelbaren Nachbarschaft der eigenen Scholle verkaufen. So hungert Südmosambik teilweise sogar dann, wenn der Norden eine gute Ernte einfährt. Dabei trägt die Landwirtschaft in den meisten Ländern der Region oft mehr als 50 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) bei. In den Industrieländern liegt dieser Anteil im Schnitt bei gerade einmal drei Prozent.
Der Autor arbeitet als Korrespondent für das "Handelsblatt" in Kapstadt.