FINANZEN
Union und FDP wollen den Familien ab 2010
4,6 Milliarden Euro geben. Steuergeschenk an Hotels umstritten
Die neue Koalition aus Union und FDP drückt aufs Tempo. Das Wachstumsbeschleunigungsgesetz soll so schnell wie möglich durch Bundestag und Bundesrat gebracht werden. Bereits in dieser Woche sollen Anhörung und Schlussberatung im Ausschuss erfolgen, und am 18. Dezember steht der Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen zur Beschleunigung des Wirtschaftswachstums ( 17/15) auf der Tagesordnung des Bundesrates.
Mit jährlichen Entlastungen in einem Gesamtumfang von 8,6 Milliarden Euro wollen Union und FDP die Wirtschaft, die in diesem Jahr um 5 Prozent schrumpfen könnte, ab 1. Januar 2010 wieder in Schwung bringen. Zentraler Punkt ist die Erhöhung von Kindergeld und Kinderfreibetrag, um mehr Nachfrage zu schaffen. Die Maßnahmen für die Familien führen zu Steuerausfällen von 4,6 Milliarden Euro. Rund zwei Milliarden Euro werden der Wirtschaft in Form von besseren Abschreibungsmöglichkeiten und Erleichterungen bei Verlustübertragungen zugute kommen.
Heftig umstritten ist noch bis in die eigenen Koalitionsreihen ein Bonbon für die deutschen Hoteliers: Eine Milliarde Euro müssen Bund und Ländern an Steuerausfällen tragen, wenn auf Übernachtungen in Hotels und Pensionen ab Januar nur noch der ermäßigte Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent statt des Normalsatzes von 19 Prozent erhoben werden sollte. Kuriosität am Rande: Während das Zimmer für sieben Prozent Steuer zu haben ist, soll für Frühstücksei, Kaffee und Brot weiterhin der reguläre Satz von 19 Prozent gelten - wie bei Restaurantbesuchen üblich.
Auf eine frühe Beteiligung des Bundesrates verzichtete die Koalition.
Der Entwurf wurde nicht vom Kabinett beschlossen, sondern nur von den Fraktionen eingebracht. Damit entfiel der erste Durchgang im Bundesrat, der sonst am vergangenen Freitag stattgefunden hätte. Die Länder wollen trotzdem einbezogen werden: "Man muss mit allen Ländern zum Konsens kommen", verlangte etwa der baden-württembergische Bundesratsminister Wolfgang Reinhart (CDU). Er spielte damit unter anderem auf die CDU/FDP-geführte schleswig-holsteinische Landesregierung an, die gegen die milliardenschwere Entlastung Bedenken angemeldet hatte. Dass das bereits in voller Fahrt befindliche Beschleunigungsgesetz noch gestoppt und ins nächste Jahr geschleppt wird, erwartet Reinhart jedoch nicht.
Die Oppositionsfraktionen bezweifeln den von der Koalition erwarteten Konjunkturschub. Im Finanzausschuss erklärte die SPD-Fraktion am 25. November zum Wachstumsbeschleunigungsgesetz, es handele sich vielmehr um ein "Schuldenaufbaugesetz". Der Nachweis einer Wachstumsförderung werde von der Koalition nicht erbracht. Besonders fragwürdig sei die Annahme, von einer Senkung der Mehrwertsteuer für Hotelbetriebe eine Konjunkturbelebung zu erwarten. Die SPD-Fraktion erinnerte die FDP daran, dass sie immer für eine Abschaffung von Ausnahmetatbeständen bei der Mehrwertsteuer eingetreten sei und jetzt als eine der ersten Maßnahmen in der Regierung einen weiteren Ausnahmetatbestand schaffen wolle.
Die Fraktion Die Linke warf der Koalition vor, mit den Maßnahmen zur Unternehmensbesteuerung reine Klientelpolitik zu betreiben. Die Erhöhung des Kindergeldes um 20 Euro im Monat ab 2010 komme Familien von Hartz IV-Empfängern nicht zugute. Die Linksfraktion verlangte daher, zumindest teilweise auf die Anrechnung des erhöhten Kindergeldes auf die Hartz IV-Leistungen zu verzichten. Scharf kritisierte die Fraktion auch, dass die Erhöhung des Kinderfreibetrages ab 2010 von derzeit 6.024 auf 7.008 Euro für Bezieher höherer Einkommen zu deutlichen höheren Entlastungen als die Erhöhung des Kindergeldes um 20 Euro für die meisten Eltern führe. Dies hätte längst geändert werden können. Statt dessen werde ein nicht sachgerechtes System weitergeführt. Auch die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen lehnte das Gesetz ab. Die Koalition gehe in die falsche Richtung. Bezieher niedriger Einkommen würden nicht von der Erhöhung des Kindergeldes profitieren. Die Senkung der Mehrwertsteuer für Beherbergungsbetriebe werde sogar nach Angaben aus der Branche keine Wachstumsimpulse auslösen, andererseits aber den Druck von serviceintensiven Wirtschaftsbereichen erhöhen, auch für sie die Mehrwertsteuer zu senken.
Die Unionsfraktion wies die Kritik an der Kindergelderhöhung zurück. 4,2 Milliarden Euro der für die Erhöhung von Kindergeld und Kinderfreibetrag insgesamt veranschlagten 4,6 Milliarden Euro würden für die Erhöhung des Kindergeldes aufgewandt, der Rest für die Erhöhung des Freibetrages. Dass die Anhebung des Freibetrages im Ergebnis mehr Entlastung bringe als die Erhöhung des Kindergeldes, habe seinen Grund im linear-progressiven Steuertarif. Wer diesen Unterschied nicht wolle, müsse das ganze System umstellen.
Die FDP-Fraktion erklärte, es gebe nach wie vor in der Wirtschaft keinen Normalzustand. Das Wachstum werde 2009 einbrechen wie nie zuvor. Daher seien Maßnahmen zur Wachstumsbeschleunigung erforderlich, um damit steuerliche Mehreinnahmen zu erzielen. Die SPD, die jetzt die Höhe der Neuverschuldung kritisiere, habe in ihrer Regierungszeit einem 80-Milliarden-Wachstumsprogramm zugestimmt, das voll kreditfinanziert sei. Trotz des Wachstumsbeschleunigungsgesetzes solle die Neuverschuldung im Etat 2010 bei dem ursprünglich geplanten Wert von 86,1 Milliarden Euro bleiben, versicherte die FDP-Fraktion. Die Senkung der Mehrwertsteuer für Beherbergungsbetriebe verteidigte die FDP-Fraktion mit dem Argument, es gehe um Wettbewerbsneutralität mit dem Ausland. Auch die Regierung begründete die Senkung mit dem Argument, man müsse der Wettbewerbssituation in Europa Rechnung tragen.