DIESELRUSS
Subventionen für bis zu 60.000 funktionsuntüchtige Filter - Gabriel weist alle Vorwürfe zurück
Auch wenn er gerade erst zum "Redner des Jahres 2007" gekürt worden ist: Was Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD) am 5. März in der gemeinsamen Sitzung der Ausschüsse für Umwelt und für Verkehr zu sagen hatte, las er dann doch lieber ab - über 30 Minuten lang. Die Sache mit den "Partikelminderungssystemen", kurz PMS, wie er die Dieselrußfilter im Beamtendeutsch nennt, hat einfach schon zu hohe Wellen geschlagen, da will der Minister bloß nichts Falsches sagen. Denn es geht um die Glaubwürdigkeit seines Ministeriums, die Glaubwürdigkeit seines Staatssekretärs Matthias Machnig und letztendlich um die Glaubwürdigkeit so genannter "offener Filtersysteme" im Allgemeinen.
Es ist an diesem Mittag im sonnendurchfluteten Anhörungssaal 3.101 im Marie-Elisabeth-Lüders-Haus ein bisschen wie im Untersuchungsausschuss: Wer hat wann was gewusst oder nicht? Welche Beweise gibt es dafür? Und seit wann war klar, dass Filter-Prüfungen nur auf Basis des Kriterienkatalogs der Anlage 26 der Straßenverkehrszulassungsordnung zu erfolgen hatten?
Hinter der Fassade dieses durchaus üblichen Streits zwischen der Opposition und einem Bundesministerium geht es um die politisch interessante, weil brisante Frage, ob das Umweltministerium die Nachrüstung mit Dieselrussfiltern mit jeweils 330 Euro subventioniert hat, obwohl einige dieser Filter wirkungslos sind. 40.000 bis 60.000 der bisher insgesamt 170.000 nachgerüsteten Filter sollen nicht funktionieren.
Daneben bietet der Filter-Fall einen Einblick in das Umweltbundesamt, eine nachgeordnete Behörde, die zumindest in einigen Abteilungen ein erstaunliches Eigenleben entwickelt zu haben scheint. Der Konflikt zwischen Opposition und Ministerium war am 13. Februar eskaliert, nachdem Grünen-Abgeordnete den beamteten Staatssekretär Matthias Machnig der Lüge bezichtigt hatten. Er habe dem Ministerium vorliegende Informationen zurückgehalten und falsche Daten genannt, so der Vorwurf. Weil sich aus Sicht der Grünen und der FDP das Umweltministerium immer mehr in Widersprüche verstrickt habe statt den Vorwurf zu entkräften, den Bundestag getäuscht zu haben, musste nun der Minister selbst ran. Eigens für die Ausschusssitzung habe er, führte Gabriel gleich zu Beginn aus, sogar die lange geplante Reise zur weltgrößten Konferenz für erneuerbare Energien abgesagt. Um der Opposition, die schon im Voraus mit der Einrichtung eines Untersuchungsausschusses gedroht hatte, wenig Angriffsfläche zu bieten, hatte sich Gabriel von seinen Mitarbeitern mit allen Daten, Kontakten und Korrespondenzen zwischen dem Ministerium, dem Umweltbundesamt und dem schweizerisches Prüflabor TTM Mayer versorgen lassen. Demnach, so Gabriel, sei die Lage ganz klar: Seit dem ersten Treffen seines zuständigen Abteilungsleiters mit einem Vertreter des schweizerischen Prüflabors seien die Grundlagen der Zusammenarbeit klar gewesen: "Mehr als einen Monat vor Vertragsabschluss hat das Umweltbundesamt gegenüber dem Umweltministerium bestätigt, dass Anlage 26 die Grundlage für die Untersuchung ist", so Gabriel.
Ganz anders klingt das aus dem Mund von Andreas Mayer, Chef des Prüflabors TTM Mayer: Er habe bereits beim ersten Treffen im Juli 2005 klargemacht, dass er weder von offenen Filtersystemen noch von der Anlage 26 als Prüfgrundlage etwas halte. Stattdessen habe er die Prüfung der Filter nach den schweizerischen Maßgaben begonnen - so wie es abgemacht gewesen sei.
Mayer kam bei seinen Untersuchungen getreu seiner Grundhaltung zu dem Ergebnis, dass die getesteten offenen Filter nichts taugen. Das habe er so dem Umweltbundesamt mitgeteilt, welches wiederum das Umweltministerium informiert haben will. Dieses wiederum habe, so Gabriel, abermals moniert, dass die Untersuchungen nicht auf Grundlage der Anlage 26 durchgeführt worden seien. Beim Prüflabor in der Schweiz ist diese Mahnung nach Aussage von Andreas Mayer so nie angekommen. Auf Basis der aus Sicht des Ministeriums "nicht gültigen", weil nicht nach den rechtlich gültigen Kriterien der Anlage 26 erlangten Untersuchungsergebenisse habe man nicht von der Unwirksamkeit der Filter ausgehen können, so Gabriel. Dass die unwirksamen Filter überhaupt auf den Markt gekommen seien, liege auch nicht an unterschiedlichen Methoden oder verschleppten Informationen, sondern an der "kriminellen Energie" einiger Filter-Hersteller: "Man darf nicht vergessen, dass die Täter nicht in staatlichen Behörden, sondern in einzelnen Unternehmen zu suchen sind", sagte Gabriel. Außerdem, so räumte der Minister dann am Ende der Ausschusssitzung ein, müsse man sich in der Politik darüber klar sein, was man wolle. Das in Auftrag gegebene Gutachten habe "nicht das Ziel gehabt, offene PMS in Frage zu stellen". Das allerdings stand sicher nicht auf seinem Zettel.