Für Ernst Uhrlau ist die Sache glaskar. Kategorisch unterstreicht der Geheimdienstkoordinator unter Kanzler Gerhard Schröder (SPD) vor dem Untersuchungsausschuss am 5. Juni, dass er nicht schon im Oktober 2001, sondern erst im Herbst 2006 im Zuge der Arbeit des Aufklärungsgremiums von den Misshandlungen des Deutsch-Ägypters Abdel Halim Khafagy durch US-Militärs in Bosnien erfahren habe. Zudem betont der heutige Präsident des Bundesnachrichtendienstes (BND), auch die vom damaligen Kanzleramtschef Frank-Walter Steinmeier (SPD) geleiteten Sicherheitslagen seien im Herbst 2001 nicht über die rechtsstaatswidrigen Haftbedingungen des 69-jährigen Münchners informiert worden.
FDP, Linkspartei und Grüne vermuten indes, dass die einstige Regierung über den Fall Khafagy schon bald nach den Attentaten von New York und nicht erst Jahre später Kenntnis von der "Renditions"-Praxis der USA erhielt - also der illegalen Entführung Terrorverdächtiger, die zu Geheimgefängnissen geflogen und dort mutmaßlich misshandelt oder gar gefoltert wurden. Zu den CIA-Flügen, so die gängige Kurzformel, wird demnächst auch Außenminister Steinmeier im Ausschuss aussagen. Khafagy, der irrtümlich unter Terrorverdacht geriet, wurde offenbar misshandelt, so verursachten Gewehrkolbenschläge bei der Festnahme am 25. September 2001 eine Platzwunde am Kopf. Wegen der rechtsstaatswidrigen Umstände der Haft in einem US-Camp lehnten zwei nach Bosnien entsandte BKA-Beamte eine Befragung des Ägypters ab, der über Kairo bald nach München zurückkehren konnte.
Uhrlau bestätigt jetzt, dass sich die Sicherheitslage im Kanzleramt mit der Verhaftungsaktion befasst habe, weil als Begleiter Khafagys mit Abu Zubeida ein El-Kaida-Spitzenmann vermutet wurde. Schon zwei Tage später habe sich dies als falsch herausgestellt. Damit sei diese Angelegenheit für das Kanzleramt abgehakt gewesen. Nun darf die Weigerung von BKA-Vernehmern, angesichts blutverschmierter Dokumente und einer Haftzelle ohne Tageslicht Khafagy zu vernehmen, als spektakulär gelten. Der Bericht der Beamten mündete auch in einen für die BKA-Spitze erstellten "Sprechzettel" für die Sicherheitslagen im Kanzleramt. Doch dort kamen dieses Thema und damit die Misshandlung des Gefangenen laut Uhrlau nicht zur Sprache. Allerdings konfrontiert die Opposition den Zeugen mit der Aussage seines ehemaligen Stellvertreters im Kanzleramt, Konrad Wenckebach, wonach Khafagys Haftbedingungen in der Sicherheitslage behandelt worden seien. Uhrlau kommentiert die Erklärungen seines einstigen Stellvertreters so: "Wir waren wohl auf unterschiedlichen Veranstaltungen."
Für Uhrlau ist der Fall Khafagy nicht mit den Renditionen zu vergleichen. Vor dem Auftritt des BND-Präsidenten zieht indes Hans-Josef Vorbeck, unter Uhrlau Leiter der Terrorismus-Abteilung im Kanzleramt, eine solche Parallele - sofern man Rendition als Abweichung von rechtsstaatlichen Standards definiere. Allerdings relativiert der Zeuge diese These wieder, nachdem SPD-Obmann Michael Hartmann insistiert, Khafagys Inhaftierung sei keine Geheimaktion gewesen und habe im Rahmen des SFOR-Mandats auf Basis des Dayton-Abkommens stattgefunden.