Der ältere Herr mit dem gelben Pullover strahlt. "Oh, sehen Sie, das ist meiner", sagt er und deutet enthusiastisch auf eines der Fotos. In dem kleinen Taschenbuch mit dem rot-weiß gestreiften Buchdeckel, das vor ihm auf dem Tisch liegt, sind sämtliche Abgeordneten des 16. Deutschen Bundestages mit Foto, Namen und einigen biografischen Daten verzeichnet. Darunter auch der des Wahlkreises des älteren Herren. "Kann ich das Buch käuflich erwerben?", fragt er seine Gesprächspartnerin. "Das dürfen Sie sich sogar umsonst mitnehmen", sagt Ingrid Philipp und lächelt. Der Mann ist begeistert, ein Gespräch entwickelt sich.
Gespräche führt Philipp an diesem Tag viele. Sie ist gemeinsam mit drei Mitarbeitern zur größten Bildungsmesse Europas angereist, zur "didacta" in Hannover. Als Mitarbeiterin der Öffentlichkeitsarbeit des Deutschen Bundestags ist sie für den Messestand des Bundestages verantwortlich. Der ist in Hannover zwischen Schulbuchverlagen und Lehrerorganisationen aufgebaut und der Kuppel des Reichstaggebäudes nachempfunden. Stapelweise Broschüren, DVDs, und Unterrichtsmaterial verteilen sie und ihre Mitarbeiter an diesem Tag und den darauf folgenden.
Zum Beispiel an Heike Bürck, Lehrerin an einer Schule in Niedersachsen. Sie nimmt die Mappen mit Material für Lehrer mit. "Ich unterrichte kein Politik, aber meine Kollegen werden sich freuen. Und ich habe mich mal wieder auf den neuesten Stand gebracht", sagt sie zufrieden. Auch Karl Zülfe, Leiter einer Jugendhilfeeinrichtung in Rheinland-Pfalz, informiert sich über die Angebote des Bundestages. "Unsere Kinder haben schon ein Interesse, etwas über Politik zu lernen. Wir wollen ihnen zeigen, dass ihr Engagement etwas bedeutet, dass sie damit aber auch eine Verantwortung übernehmen", so Zülfe.
Es sind Menschen wie Heike Bürck und Karl Zülfe, die Philipp und ihre Mitarbeiter speziell auf der "didacta" erreichen wollen. "Gerade im Jahr der Bundestagswahl ist es für uns wichtig, Multiplikatoren anzusprechen. Denn über Lehrer erreichen wir die Schüler und die sind doch die Zukunft des Landes", sagt Philipp.
Bis zu zwölf Messen pro Jahr besucht sie mit ihrem Team. Seit 1982 macht der Bundestag Werbung für sich auf diesen Veranstaltungen. Dabei konzentrieren sich die Mitarbeiter der Öffentlichkeitsarbeit in der Regel auf Verbrauchermessen. Die "Mode Heim Handwerk" in Essen oder "Heim + Handwerk" in München stehen ganz oben auf der Liste. "Den Maimarkt in Mannheim besuchen wir zum Beispiel jedes Jahr, da kommen bis zu 400.000 Besucher", erklärt Philipp, die seit 1986 dabei ist. "Auf diese Messen gehen auch Menschen, die sich nicht sehr für Politik interessieren und die wollen wir erreichen." Die ruhige, freundliche Frau will informieren, vor allem über die "Spielregeln", mit denen Politik gemacht wird. Nicht jeder Besucher sei dem Bundestag freundlich gesinnt. Am häufigsten werde gefragt, warum der Plenarsaal oft leer sei. Da gelte es zu erklären, welche Menge an Arbeit Parlamentarier außerhalb des Saales erledigen. Fragen wie "Kommt Frau Merkel heute auch?" werden auch oft gestellt; die Mitarbeiter machen dann auf den Unterschied zwischen Bundestag und Bundesregierung aufmerksam. Auf Schautafeln an den Seiten des Standes stehen kurze Erklärungen über den "Gang der Gesetzgebung", den "Ältestenrat" und andere wichtige Elemente des Bundestages. "Manchmal kommen auch ältere Menschen zu uns und erzählen uns ihre Lebensgeschichte", sagt Philipp. Aber auch für so etwas seien sie da. Wichtig sei es, "der Politik ein Gesicht zu geben".
Der ältere Herr mit dem gelben Pullover hat inzwischen begeistert "Kürschners Volkshandbuch", so der Titel des rot-weiß gestreiften Buches, eingepackt. Er wird es gegen eine ältere Version, die auf seinem Schreibtisch steht, eintauschen. Ingrid Philipp wendet sich einem jungen Betreuer von sechs schwer erziehbaren Jugendlichen zu. Wie er die wohl an Politik heranführen könne? Das nächste Gespräch beginnt.