Geschichte
Wolfgang Wippermanns Polemik gegen den Vergleich von NS- und SED-Diktatur
Die Methode ist eine der ältesten Formen menschlichen Erkenntnisgewinns: Indem wir Dinge und Sachverhalte systematisch gegenüberstellen, sie auf Gemeinsamkeiten und Unterschiede hin betrachten, können wir sie beschreiben, erklären, neue Hypothesen entwickeln und Prognosen wagen. Nichts anderes tut, wer vergleicht - und niemand würde bestreiten, dass es in der Geschichte der verschiedenen Wissenschaften Vergleiche waren, die Erkenntnisse gebracht haben. Insofern erscheint es merkwürdig, wenn ausgerechnet ein Wissenschaftler eine Streitschrift vorlegt, die den Vergleich verpönt - wie es Wolfgang Wippermann in seinem neuen Buch "Dämonisierung durch Vergleich: DDR und Drittes Reich" tut.
Ohnehin ist es eine merkwürdige Welt, in der sich der umstrittene Historiker wähnt: "Landauf, landab", so seine Behauptung, werde von der DDR als der zweiten deutschen Diktatur gesprochen, die "genauso totalitär wie der NS-Staat" gewesen sei. Es habe sich die Sicht durchgesetzt, Honecker sei wie Hitler gewesen, "die Stasi wie die Gestapo, das berüchtigte DDR-Gefängnis Bautzen wie Auschwitz" - und "fast alle" plapperten es nach. Wippermann will nicht nur das falsche Geplapper entlarvt haben, er weiß auch, welchem Zweck es dient: Bei den Vergleichen und Gleichsetzungen von DDR und Drittem Reich handele es sich um "Ideologien", die "der Verteufelung der PDS/Die Linke und der Verklärung ihrer parteipolitischen Gegner" dienten. Über sie würden gleichermaßen das Dritte Reich relativiert wie auch alle Deutschen zu Opfern gemacht: In einer "Täter-Opfer-Umkehrung" sollten "die Deutschen, vor allem die im Osten, auch noch Opfer der ,zweiten deutschen Diktatur' gewesen sein".
Belege für seine steile These bleibt Wippermann schuldig. Das mag bei der Recherche praktisch gewesen sein, denn am besten lässt sich ohnehin das widerlegen, was sowieso niemand behauptet hat. Überzeugend argumentieren lässt sich so jedoch nicht. Wippermanns Buch ist ein pures Lamento gegen seine längst bekannten Feindbilder: Die Totalitarismustheorie, den Extremismusbegriff und alle diejenigen, die in der Bewertung dieser Theorien nicht die Sicht des Berliner Hochschulprofessors teilen. Süffisant teilt er aus gegen all die Forscher, die es eben doch sinnvoll finden, die beiden deutschen Diktaturen miteinander zu vergleichen.
Wippermann konstruiert eine gemeinsame Verschwörung der Enquete-Kommission des Bundestags zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, des Forschungsverbundes SED-Staat an der FU Berlin, der Birthler-Behörde, des Gedenkstättendirektors von Berlin-Hohenschönhausen Hubertus Knabe und der beiden Extremismusforscher Eckhard Jesse und Uwe Backes, die ihm als "inoffizielle Mitarbeiter" des Verfassungsschutzes gelten. Er ist sich für keinen platten Witz auf deren Kosten, keine noch so unsachliche Anspielung und unbelegte Behauptung zu schade, um zu belegen, wovon er ohnehin überzeugt ist: Sie alle wollen die DDR als totalitär klassifizieren und einen "vergangenheitspolitischen Paradigmenwechsel" einleiten, der letztlich zu "geschichtspolitischem Revisionismus" führen soll.
In all dem Krakeele und Getöse geht unter, dass Wippermann kein einziges schlüssiges Argument dafür liefert, warum es nicht sinnvoll sein sollte, die DDR und das Dritte Reich zu vergleichen. Es gibt schon heute eine Reihe interessanter Studien darüber, wie zwei ganz unterschiedliche Diktatur- typen auf dasselbe Volk wirken konnten - und es wäre wünschenswert, wenn dieser Frage weiter nachgegangen würde. Gelingen kann ein solcher Vergleich allerdings nur einem Wissenschaftler, für den Vergleiche und Gleichsetzungen eben nicht dasselbe sind. Doch wer wie Wolfgang Wippermann aus denselben ideologischen Gründen, die er anderen gebetsmühlenartig unterstellt, beständig gegen die gleichen Wände anrennt, hat für solche Feinheiten wohl keinen Blick.
Dämonisierung durch Vergleich: DDR und Drittes Reich.
Rotbuch Verlag, Berlin 2009; 160 S., 9,90 ¤