INTERNET
Grünen-Projekt für Musikdownloads umstritten
Nach Schulschluss laufen die Datenleitungen heiß. Tausende Jugendliche hocken vor ihrem Computer und laden Musikdateien und Videos aus dem Internet herunter. Viele wählen dafür illegale Tauschbörsen und holen sich Musikalben und Filme kostenlos. Urhebern und Verwertern bereitet das Kopfzerbrechen. Vor allem im Musikbereich ist eine Schieflage entstanden. Laut "Brennerstudie" der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) sind 2007 312 Millionen Lieder illegal aus dem Internet bezogen worden, der Schaden beläuft sich nach Angaben des Bundesverbands der Musikindustrie auf 349 Millionen Euro.
Allerdings war die Zahl der Downloads 2004 fast doppelt so hoch. Dass sie sich nahezu halbiert hat, liegt auch an der Verfolgung durch die Musikindustrie. 16.000 zivilrechtliche Klagen wegen illegaler Angebote in Tauschbörsen sind nach Angaben des Bundesverbands allein 2007 ergangen. Der Vorsitzende Dieter Gorny will auf diese Weise "das Internet in den Griff kriegen". Lieber wäre ihm allerdings eine Politik nach dem Vorbild Frankreichs. Dort ist das "Three Strikes"-Modell eingeführt worden: Nutzer von illegalen Tauschbörsen werden zuerst per E-Mail, dann per Brief verwarnt. Beim dritten Verstoß wird ihr Internetzugang für bis zu zwölf Monate gesperrt.
Dieses Vorgehen halten viele für übertrieben. Das Europäische Parlament hat sich kürzlich klar gegen die Einführung dieser Regel ausgesprochen. Sie greife zu stark in die Grundrechte der Anwender ein, hieß es. Auch in Frankreich hat die gerade erst eingeführte Regelung keinen Bestand. Am 10. Juni kippte der französische Verfassungsrat das Gesetz mit der Begründung, es untergrabe die Kommunikationsfreiheit.
Die Grünen im Bundestag und im Europaparlament haben ein alternatives Vergütungsmodell für urheberrechtlich geschützte Inhalte vorgeschlagen: die "Kulturflatrate". Darunter verstehen sie einen pauschalen Obolus zwischen fünf und zehn Euro, der zusätzlich zur Zugangsgebühr von jedem Internetnutzer bezahlt werden muss. Die von den Providern eingesammelten Beträge sollen über eine Verwertungsgesellschaft zurück an die Schöpfer von Musik, Videos, Hörbüchern und E-Books fließen.
"Wir wollen die Nutzer von Tauschbörsen entkriminalisieren", sagt Grietje Staffelt, medienpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion der Grünen. Darüber hinaus soll die Kulturflat-rate zwischen den Interessen der Urheber, die für ihre Werke vergütet werden wollen, und den Interessen der Nutzer am freien Zugang zu Informationen vermitteln. "Wir brauchen einen neuen Gesellschaftsvertrag", erklärt die Europa-Parlamentarierin Helga Trüpel, "der die Urheber besser stellt und die Ansprüche der Wissensgesellschaft berücksichtigt."
Unterstützung erhalten die Bündisgrünen vom Institut für Europäisches Medienrecht (EMR), bei dem sie ein Rechtsgutachten zur Flatrate in Auftrag gegeben hatten. Demzufolge wäre die Einführung der Pauschalabgabe verfassungskonform - eine Frage, die etwa der FDP-Kulturexperte Hans-Joachim Otto schon vor längerem bezweifelt hatte. Er fürchtet eine "Enteignung der Urheber".
Im Bundestag ist die Kulturflatrate umstritten. Vielen erscheint es zu planwirtschaftlich. Das Rechtsgutachten hebt jedoch hervor, dass eine wirtschaftliche Neuordnung des Kulturmarktes dann gerechtfertigt sei, wenn es den veränderten technologischen und sozialen Bedingungen entspricht. Die bisherigen Geschäftsmodelle der Musikindustrie genießen also - zumindest laut EMR - keinen dauerhaften Bestandsschutz vor dem Gesetz. Die Unionsfraktion mache sich für das "Three-Strikes"-Modell stark, sagt Dorothee Bär (CSU). Und auch die Liberalen sprechen sich für eine "konsequente Verfolgung derjenigen, die sich rechtswidrig am kreativen Werk anderer Menschen bedienen" aus.
SPD-Medienexpertin Monika Griefahn hält die Kulturflatrate dagegen für "eine sehr interessante Option, um eine angemessene Vergütung für urheberrechtlich geschützte Inhalte im Internet und gleichzeitig den freien Zugang zu diesen zu ermöglichen". Aus der Linksfraktion heißt es: "Wir wollen nicht, dass das Urheberrecht zu einem Industrierecht verkommt." Eine "Vereinfachung der pauschalen Regelungen für die Ansprüche der Urheberinnen und Urheber" müsse aber auf ihre Machbarkeit geprüft werden, meint Kulturexpertin Lukrezia Jochimsen.
Dass das Thema Urheberrecht im Internet aktuell bleibt, zeigte sich bei der Europawahl. Die Piratenpartei, 2006 gegründet und erstmals angetreten, erreichte in Deutschland 0,9 Prozent der Wählerstimmen. Sie spricht sich unter anderem dafür aus, nicht kommerzielles Kopieren von Musik zu legalisieren und zu fördern. Jetzt sammeln die "Piraten" Unterschriften, um für die Bundestagswahl zugelassen zu werden.