Es ist eine Woche ohne Ausschuss- und Plenarsitzungen im Bundestag. Dennoch ist Swen Schulz aus seinem Wahlkreis Berlin-Spandau nach Mitte, in sein Parlamentsbüro, gekommen. Gestreiftes Polo-Shirt und Jeans statt Hemd und Anzug - die lässigere Kleidung scheint das einzige Zugeständnis an die sitzungsfreie Woche zu sein. Seit 2002 ist Schulz Mitglied des Bundestages. Neben der Arbeit im Bildungs- und im Sportausschuss ist der Sozialdemokrat auch Mitglied des Petitionsausschusses. 35 Jahre alt war er zu Beginn seiner ersten Legislaturperiode - und wurde daher in Medien und Fraktion zumeist als "Junger" wahrgenommen, der "frischen Wind" ins Parlament bringen wollte.
Politik, das ist für den Diplom-Politologen vor allem eins: Kommunikation. Offen und unaufgeregt - Schulz trifft im Gespräch leicht den richtigen Ton. Und nicht nur weil er, wie mancher Journalist schon bemerkte, eine sonore, radiotaugliche Stimme hat. Selbst als Redner im Plenum, wie zuletzt Mitte Mai in der Debatte um die Studienplatzvergabe an deutschen Universitäten, ist der 42-Jährige keiner, der laut wird - auch wenn er die Vergabepraxis als "Hickhack" geißelt. Der Bildungspolitiker wird trotzdem gehört: Als Ministerpräsidenten und Bundeskanzlerin Anfang Juni zu Verhandlungen über Investitionen in Hochschulen und Forschung zusammentrafen, forderte Schulz vorab in einem Zeitungsinterview Berlins Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit auf, "Farbe zu bekennen" und sich für das Milliardenpaket einzusetzen. "Das hat er dann auch gemacht", sagt er.
Politisch etwas bewegen wollte Swen Schulz schon früh: Die Angst vor Aufrüstung und Atomkrieg war es, die ihn bereits als 13-Jährigen in einer Bürgerinitiative gegen den Nato-Doppelbeschluss im heimatlichen Hamburg-Poppenbüttel aktiv werden ließ. Obwohl im Elternhaus sozialdemokratisch geprägt, sympathisierte er als Schüler zunächst mit den Grünen. Erst 1986, kurz vor dem Abitur, wurde er Mitglied der SPD. Das aber durchaus mit Kalkül: "Ich wollte dazu beitragen, dass die SPD grüner wird, damit sie eines Tages mit den Grünen zusammen eine Regierung bilden kann." Dies erlebte Schulz 1989 in Berlin, wohin er zum Studieren gezogen war. "Das war toll! Plötzlich diskutierte man über Tempo 100 auf der Avus und Busspuren auf dem Ku'damm", erinnert er sich an den ersten rot-grünen Senat unter Walter Momper (SPD). Doch Schulz wollte nicht nur Politik am renommierten Otto-Suhr-Institut studieren, sondern sie auch selbst mitbestimmen: So lernte er "Kiezpolitik", wie Schulz es nennt, zunächst in Schöneberg von der Pieke auf kennen: Stadtplanung, Verkehrspolitik. 1995 wurde er dann Bürgerdeputierter, 1998 Bezirksverordneter in Spandau. Zu dieser Zeit hatte er bereits sein Diplom in der Tasche und leitete das Büro des Spandauer Bundestagsabgeordneten Wolfgang Behrendt.
Selbst Abgeordneter zu werden war jedoch zunächst kein Thema für Schulz. Er sah sich als Politikberater: "Ich wollte Politik beeinflussen, aber kein Politiker sein, der im Rampenlicht steht und Hände schüttelt. Ich sah mich lieber als denjenigen, der kluge Konzepte ausarbeitet", erinnert sich Schulz und scherzt: "Eben aus dem Hintergrund die Strippen ziehen." Doch es kam anders: Nach vier Jahren im Hintergrund war es ihm nicht mehr genug, Entscheidungen nur vorzubereiten und nicht selbst treffen zu können. "Ich dachte: Abgeordneter, das kann ich auch!" Schulz schlug daraufhin seine eigene politische Laufbahn ein: Noch im selben Jahr wurde er Vorsitzender der Spandauer SPD. 2002 kandidierte er für den Bundestag.
Dennoch steckt im Politiker Schulz bisweilen der Politikberater: "Ich bin eben einer, der viel nachdenkt", sagt er. Obwohl er sich als ungeduldig kritisiert, gehört doch für ihn, den Bildungspolitiker, ein langer Atem zum Geschäft: Schließlich ist Bildung eigentlich Ländersache. Schulz fordert trotzdem bundesweite Ganztagsschulen. Was sinnvoll ist, wird sich langfristig durchsetzen, davon ist er überzeugt. Doch auch Niederlagen entmutigen den dreifachen Vater und HSV-Fan nicht: "Als Fußballspieler höre ich ja auch nicht auf zu spielen, wenn ich verliere."