Im welthistorischen Umbruch von 1989/91 war die unverhoffte Vereinigung von Bundesrepublik und DDR ein Glücksfall. Die anderen Staaten des zerfallenden Ostblocks hatten nicht die Möglichkeit, sich einem westlichen "Erfolgsmodell" staatlich anzuschließen, und beschritten eigene Transformationspfade.
Doch auch Deutschland tut sich seit 1990 mit den Wandlungsprozessen schwer. Bei oberflächlicher Betrachtung hat sich auf dem Weg in die "Berliner Republik" im Westen Deutschlands wenig, im Osten fast alles verändert: das Wirtschafts- und Sozialsystem, die politische Ordnung, der Alltag. Der häufig anklagend verwendete Topos von der ausgebliebenen "Ankunft" deutet an, welche Adaptationsleistungen den Ostdeutschen zugemutet wurden. Von gleichen Lebensverhältnissen in Ost und West sind wir indes noch immer entfernt.
Doch wie viel "innere Einheit" ist möglich, wie viel ist nötig? Gelebte Leben drohen entwertet, Mentalitäten nicht berücksichtigt zu werden, wenn nur auf Homogenisierung gezielt wird. Während die vier Jahrzehnte der Teilung in der jungen Generation eine weit geringere Rolle zu spielen scheinen, drücken erregte Debatten um den "Unrechtsstaat DDR" aus, wie sehr Biographien in Ost und West immer wieder auf dem Prüfstand stehen. Es gilt die unter schwierigeren Bedingungen erbrachte Lebensleistung vieler Ostdeutscher ebenso ernst zu nehmen wie (nicht allein materielle) Verlustgefühle mancher Westdeutscher, die sich über Nacht aus einem komfortablen Winkel der Weltpolitik vertrieben sehen. Deutschland hat sich seit 1990 verändert. Im Verlauf der globalen Wirtschaftskrise steht nun das westliche "Erfolgsmodell" auf dem Prüfstand.