BREMEN
Landesregierung droht mit Verfassungsklage
Bremens Regierungschef Jens Böhrnsen ist kein Mann, der sich in die Medien drängt. Eher beiläufig hat er auf einer Podiumsdiskussion - und nicht etwa per Pressekonferenz - einen Warnschuss Richtung Berlin abgegeben, den dort bisher vermutlich niemand gehört hat. Dabei scheint der linke SPD-Politiker es ernst zu meinen: Böhrnsen will nicht länger hinnehmen, dass der Bund zu Lasten der Länder Steuern senkt. Wenn das nach der Bundestagswahl so weitergehe, dann werde Bremen womöglich vors Bundesverfassungsgericht ziehen.
Hintergrund seiner Warnung ist der Beschluss des Bundestages zur Schuldenbremse: Ab 2020 dürfen die Bundesländer keine neuen Schulden mehr machen, außer in Notfällen. Im Gegenzug erhalten die fünf ärmsten Länder Konsolidierungshilfen. Bremen zum Beispiel erhält 300 Millionen Euro pro Jahr. Diese Finanzspritzen werden aber kaum reichen, um die Neuverschuldung wirklich auf Null zu drücken. Bremen erwartet 2010 bei einem Jahresetat von vier Milliarden Euro eine Einnahmelücke von rund einer Milliarde. In dieser Situation dürften nicht auch noch die Einnahmen der Länder weiter beschnitten werden, mahnt Böhrnsen. Das gelte jedenfalls für solche Steuersenkungen, die nicht durch neue Einkünfte gegenfinanziert würden.
Entlastungen für Klein- und Mittelverdiener wären für ihn zwar in Ordnung; doch dafür müsste der Staat stärker bei den Reicheren zulangen, etwa mit einer Börsenumsatzsteuer oder einem höheren Spitzensteuersatz, aber auch mit der Wiedereinführung der Vermögenssteuer - einer Forderung, mit der sich Böhrnsen in der SPD bisher nicht durchsetzen konnte. Auf jeden Fall findet der Bürgermeister, dass die vereinbarte Steuerbremse auch eine "Steuersenkungsbremse" bedeuten müsse. Wenn die künftige Bundesregierung dennoch zu Lasten der Länder Steuern reduzieren sollte, würde dies laut Böhrnsen auf "erbitterten Widerstand" Bremens stoßen. Und dazu könnte auch eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht zählen.
Eine leere Drohung oder eine ernst zu nehmende Warnung? "Das ist eine vollkommen realistische Möglichkeit", heißt es im Bremer Rathaus. Denn weitere Einnahmeausfälle "gingen an unsere Existenz".
Immerhin kennen sich die Hanseaten mit Verfassungsklagen schon gut aus. Mehrfach haben sie in Karlsruhe zumindest teilweise Recht bekommen. So bestätigte das Gericht 1992, dass der Stadtstaat ähnlich wie das Saarland in einer extremen Haushaltsnotlage stecke und deshalb Anspruch auf Sanierungsbeihilfen habe. Als Folge des Urteils flossen bis 2004 insgesamt 8,5 Milliarden Euro nach Bremen. Dennoch: Die damals regierende Große Koalition schaffte es ebenso wenig wie die seit 2007 amtierende rot-grüne Koalition, den Schuldenberg abzubauen. Ganz im Gegenteil: Inzwischen ist er auf über 15 Milliarden Euro angewachsen. Regionale Sanierungshilfen zu fordern, ist natürlich etwas anderes, als gegen bundesweite Steuersenkungen zu klagen. Ob Bremen damit wirklich Erfolgschancen hätte, "müsste in der konkreten Situation ausgelotet werden", meint Böhrnsens Sprecher Hermann Kleen. Das könnte im Falle des Falles spannend werden. Denn auch Kleen kennt den Spruch: "Drei Juristen - drei Meinungen".