Schon seit langem wird von der Wissenschaft, aber auch von Journalistinnen und Journalisten selbst, harsche Kritik an der Präsentation und dem Inhalt der Afrika-Berichterstattung geübt. Je nach Untersuchungsgegenstand werden etwa überzogener Negativismus, Ethnozentrismus, mangelnde Hintergrundberichterstattung oder ein Rückgriff auf Stereotype kritisiert. Meist beschränken sich die Forschungen auf Inhaltsanalysen veröffentlichter Beiträge. Die Perspektive der Produzenten von Afrika-Berichterstattung wurde hingegen über Jahrzehnte vernachlässigt. Die hier vorgestellte Untersuchung 1 verschränkt Inhaltsanalyse und Akteursperspektive, um unter anderem folgende Fragen zu beantworten: Wer sind die Akteure, die maßgeblich am Produktionsprozess von Afrika-Berichten mitwirken? In welchen Strukturen arbeiten sie? Nach welchen Kriterien wählen sie Nachrichten aus? Bedingen Produktionsstrukturen die Afrika-Berichterstattung und wenn ja, wie?
Den Gesprächen mit 40 Afrika-Korrespondentinnen und -Korrespondenten, lokalen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und Redaktionsmitgliedern ging eine Inhaltsanalyse der überregionalen Tageszeitungen "Frankfurter Allgemeine Zeitung" (FAZ) und "Süddeutsche Zeitung" (SZ), sowie der "Deutschen Presseagentur" (dpa) und der Wochenzeitschrift "Der Spiegel" (Spiegel) voraus. Da die Ergebnisse weitgehend die Situationen jener wenigen an Afrika interessierten deutschen (Leit)Medien wiedergeben, die überhaupt Korrespondenten nach Afrika entsenden oder dort engagieren, handelt es sich um Best-Practice-Perspektiven. Das zentrale Fazit der Untersuchung ist, dass unter den Arbeitsbedingungen von Afrika-Korrespondenten die Darstellung von Wirklichkeit nur eine sehr entfernte Zielvorstellung sein kann. Dies liegt nur zum geringeren Teil an den individuellen Arbeitsleistungen der Korrespondenten, die häufig als hoch einzuschätzen sind. Standortspezifische Faktoren wie interkulturelle Kommunikationsbarrieren, eingeschränkte Pressefreiheit oder infrastrukturelle und bürokratische Hindernisse mögen zwar im Einzelfall die Berichterstattung beeinflussen, aber auch sie sind kaum die Ursache für die erhebliche Kritik an ihr. Verantwortlich dafür sind primär die von Redaktionen und Medienhäusern gesetzten strukturellen und institutionellen Rahmenbedingungen, die ihrerseits in eine kulturelle Dimension eingebettet sind: in ein weitreichendes gesellschaftliches Desinteresse in der Bundesrepublik Deutschland an Afrika.
Ein Blick auf einige ausgewählte Aspekte der Untersuchung soll das Gesagte veranschaulichen: Gemessen an den Korrespondentenzahlen hat die Afrika-Berichterstattung deutscher Medien ein vorläufiges historisches Tief erreicht. Zum Zeitpunkt der Untersuchung (2006) arbeiteten 28 Afrika-Korrespondenten für deutsche Medien. Das Ende des Kalten Krieges sowie die Medienkrise zu Beginn des 21. Jahrhunderts führten zu deutlichen personellen und inhaltlichen Zäsuren und zu einem Verlust an journalistischer Afrika-Kompetenz und Berichterstattungsvielfalt. Nur sehr wenige deutsche Medienhäuser engagieren sich überhaupt noch mit eigenen Korrespondenten. Lediglich 13 von deutschen Medien fest angestellte Korrespondenten arbeiten in Subsahara-Afrika. Dabei engagieren sich die öffentlich-rechtlichen Anstalten ARD und ZDF mit acht entsendeten Korrespondenten herausragend. Nur noch Spiegel, dpa, FAZ und SZ beschäftigen weitere feste Korrespondenten in Afrika südlich der Sahara. Etwa jede fünfte Stelle wurde in den vergangenen Jahren gestrichen. Leitmedien wie FAZ und SZ reduzierten ihr Personal, die Wochenzeitung "Die Zeit" oder der Springer-Auslandsdienst schlossen ihre Büros ganz. Zusammenschlüsse von Regionalzeitungen, die Afrika-Korrespondenten in Kooperation finanzierten, zerbrachen. Private Fernseh- und Rundfunksender verzichten komplett auf Korrespondentenbüros in Subsahara-Afrika. Für zwei Drittel der Korrespondenten sank die Nachfrage nach Afrika-Berichterstattung während ihrer Korrespondententätigkeit, so dass knapp die Hälfte lediglich einen Beitrag pro Woche absetzen kann.
Der starke Abbau von Korrespondentenstellen fügt sich in ein betrübliches Gesamtbild über den Entstehungsprozess von Afrika-Berichterstattung. Zwar ist die Berichterstattung deutscher Medien gemessen an Korrespondentenzahlen im internationalen Vergleich immer noch wahrnehmbar: Neben Briten, Franzosen und Niederländern stellen für deutsche Medien arbeitende Korrespondenten noch erkennbare Anteile der insgesamt überschaubaren und rückläufigen Korrespondenten-Communitys. Aber die Wahrscheinlichkeit des weiteren Abbaus von Korrespondentenstellen ist hoch. Veränderte Kommunikations- und Logistikmöglichkeiten und eine zunehmende Ökonomisierung des Journalismus könnten diese Auflösungstendenzen bestärken. Die Debatte darüber, ob sich die Region nicht auch von Deutschland aus betreuen lasse, wird bereits geführt. Selbst Medien wie "Die Zeit" meinen, Entwicklungen in den Staaten südlich der Sahara von der bundesdeutschen Warte aus verfolgen zu können.
In der Untersuchung konnten zudem deutliche Defizite im redaktionellen Management von Afrika-Korrespondenten und Afrika-Berichterstattung festgestellt werden. Anders als mit einem generellen Desinteresse ist kaum zu erklären, dass Afrika meist als Einstieg in die Korrespondentenkarriere dient: Die Mehrzahl der Korrespondenten kann relativ ahnungslos und ohne Regionalkenntnisse ihre Arbeit in Afrika beginnen, im Einzelfall entsenden deutsche Leitmedien sogar Korrespondenten, die Subsahara-Afrika vorher noch nie betreten haben. Bestenfalls führen solche Personalentscheidungen zu jahrelangen Einarbeitungszeiten, im schlechtesten Fall zu dauerhaft wenig kompetenter Berichterstattung. Das autodidaktische Aneignen von Wissen über die Berichtsgebiete in Afrika überwiegt deutlich gegenüber dem systematischen, institutionalisierten Erwerb. Die große Mehrheit der befragten Afrika-Korrespondenten wird beim Erwerb von afrikaspezifischem Fachwissen von ihren Redaktionen zudem alleingelassen. Ob und auf welchem Weg sich Afrika-Korrespondenten fachliche Kompetenzen aneignen, ist weitgehend ihnen selbst überlassen. Aus- und Weiterbildungsbemühungen von Redaktionen beschränken sich meist auf Urlaubsvertretungen, Sicherheitstrainings für Einsätze in Krisen- und Kriegsgebieten, Französisch-Intensivkurse oder so triviale Aktivitäten wie Besuche afrikanischer Botschaften und des Auswärtigen Amtes in Berlin. Die Sprachkompetenzen der meisten Afrika-Korrespondenten sind anglophon geprägt. Französisch spricht nur eine Minderheit, afrikanische Sprachen fast keiner. Von Kausalitäten zwischen solchen Zuständen und begrenzten redaktionellen Kompetenzen ist auszugehen.
Alle Korrespondenten haben einen Abiturabschluss, etwa vier Fünftel schlossen ein Hochschulstudium ab, zwei Drittel absolvierten ein Volontariat. Zudem kann der Großteil der Befragten auf langjährige journalistische Berufserfahrungen zurückgreifen. Die Erfahrungshorizonte der Interviewpartner in Afrika differieren stark, reichen von Neueinsteigern mit wenigen Monaten bis hin zu einem Kollegen, der auf 25 Jahre Korrespondentenerfahrung in Afrika zurückblicken kann.
Ohne Zweifel gehört das Personalmanagement zu den zentralen Kompetenzbereichen der Leitungsebene jedes Medienhauses. Da Korrespondenten wesentlichen Anteil an der Ausgestaltung von Afrika-Berichterstattung haben - in den analysierten Medien stammen bis zu 90 Prozent der großen Reportagen aus ihren Federn - sollte man meinen, dass diese mit größter Sorgfalt ausgewählt werden. Die Untersuchung der Auswahlkriterien für Afrika-Korrespondenten förderte jedoch teilweise Erstaunliches zutage: In der Branche herrscht zwar eine ungefähre Vorstellung darüber, nach welchen Kompetenzkriterien Afrika-Korrespondenten theoretisch ausgewählt werden sollten. Doch die Wirklichkeit sieht zuweilen anders aus. Während journalistische Kompetenzen eindeutig als primäres Auswahlkriterium gelten, werden bei Regionalwissen teils erhebliche Abstriche gemacht. Im Allgemeinen legen Medienhäuser Wert darauf, dass Korrespondenten vor ihrer Entsendung unter anderem einen journalistischen Sozialisationsprozess in ihren Redaktionen erfolgreich durchlaufen, bei dem Arbeitsroutinen und Nachrichtenauswahlkriterien internalisiert und Kontaktnetzwerke innerhalb der Organisationsstrukturen aufgebaut werden. Daneben können noch zahlreiche andere Auswahlkriterien bei der Vergabe von Korrespondentenstellen von zentraler Bedeutung sein (z.B. Persönlichkeitsmerkmale, Zugehörigkeit zu Ressorts oder ARD-Landesanstalten, gute Beziehungen zu Entscheidungsträgern). So kann es sein, dass entsendete Korrespondenten unter Umständen auch aus Regional-, Sport- oder Unterhaltungsredaktionen kommen und wenig Auslands- geschweige denn Afrika-Erfahrung vorweisen können. Korrespondentenstellen werden zudem auch als Belohnung vergeben oder dienen in Einzelfällen zur Ruhigstellung unliebsamer Mitarbeiter auf weit entfernten, peripheren Außenposten.
Die Zusammenarbeit zwischen freien Korrespondenten und Abnehmerredaktionen ergibt sich häufig zufällig - oft schlicht über ihre Verfügbarkeit oder die Absatzfähigkeit ihrer journalistischen Angebote. Insgesamt fügen sich die Auswahlkriterien für Afrika-Korrespondenten in das Gesamtbild der analysierten Konstruktions- und Produktionsprozesse von Afrika-Berichterstattung: Sie sind zu einem erheblichen Teil willkürlich.
Diese Aussage kann auch mit den Ergebnissen zur Qualität der Kontakte zwischen Korrespondenten und Redaktionen untermauert werden: Zwar beantworten zwei Drittel der Korrespondenten, diese seien "sehr gut" oder "gut". Aber diese positiven Auskünfte zielen zu einem nicht geringen Teil auf atmosphärische Aspekte ab und nicht auf eine professionell-kompetente inhaltliche Betreuung. Kompetent betreut werden Korrespondenten nur in Ausnahmefällen. Drei Viertel der Befragten geben an, sich "selten" oder "nie" mit den Abnehmerredaktionen inhaltlich über Afrika-Themen auseinanderzusetzen. In den Redaktionen sind "Afrika-Müdigkeit", Kompetenzdefizite und Konzeptlosigkeit weit verbreitet. Knapp die Hälfte der Befragten erklärt, für inhaltliche Fragen auf keinen festen Ansprechpartner für Afrika in den Abnehmerredaktionen zurückgreifen zu können. Das geben selbst Korrespondenten an, die für so einflussreiche Medien wie ARD, ZDF oder dpa arbeiten.
Abgesehen von wenigen Einzelpersonen herrscht in den Redaktionen ein weit verbreitetes Desinteresse und Unwissen in puncto Afrika. In den wenigen Fällen, in denen Redaktionen Afrika-Redakteure beschäftigen, haben diese noch andere Weltregionen wie den Nahen Osten und Osteuropa oder Organisationen wie die UN parallel zu betreuen. Zudem beziehen Abnehmerredaktionen ihre Korrespondenten kaum in längerfristige konzeptionelle Planungen der Auslands- bzw. Afrika-Berichterstattung ein. Korrespondenten und lokale Mitarbeiter äußern zwar eine Vielzahl von konstruktiven Vorschlägen, wie die Berichterstattung zu verbessern sei. Doch finden diese Hinweise unter den genannten Bedingungen selten Gehör und zeitigen noch seltener praktische Konsequenzen.
Der Zusammenhang zwischen fachlich-inhaltlichen Defiziten von Redaktionen und favorisierten Nachrichtenauswahlkriterien ist naheliegend: Je geringer die Kompetenz, desto stärker wird beispielsweise der Einfluss diverser Leitmedien und Nachrichtenagenturen, verschiedenster Public Relations (PR) oder des Nachrichtenfaktors Konsonanz (Gleichförmigkeit/Erwarbarkeit der Berichte). Denn wenig kompetente Redakteure können kaum eigenes Urteilsvermögen einbringen und müssen sich so auf ihre eigenen kognitiven Erwartungen und Klischees bzw. den verbreiteten journalistischen Mainstream zurückziehen. Für eben jene wenig kompetenten Redaktionen produziert jedoch die Mehrzahl der befragten Korrespondenten Beiträge. Themenauswahl und -präsentation richten sich dabei stark nach dem Interesse des deutschen Publikums und nach dem Medienmarkt. Die Nachrichtenschwelle für Beiträge aus Afrika liegt dabei in vielen Redaktionen derart hoch, dass ein durchsetzungsfähiger Nachrichtenwert in der aktuellen Berichterstattung oft nur von heftigen Katastrophen, Kriegen und Krisen oder Themen mit starkem Deutschlandbezug erbracht werden kann. Diese beschränkt-dimensionale Stereotypisierung des Kontinents verstärkt wiederum den Ermüdungseffekt bzw. den Afrika-Pessimismus der Redaktionen und betoniert damit die Höhe der Nachrichtenschwelle. Afrika befindet sich somit in einer "Dramatisierungsfalle". Viele Redaktionen passen sich zudem Boulevardisierungs- bzw. Ökonomisierungstendenzen innerhalb des Abnehmermarktes an, indem sie sich stärker vermischten und bunten Themen zuwenden.
Schwer absetzbar sind hingegen Themen wie Innen- und Außenpolitik afrikanischer Staaten, Alltag, Kultur, Literatur oder lokale Wirtschaftsthemen. Themenfelder wie soziale Netze, informeller Sektor oder Arbeitnehmerperspektiven werden so gut wie nicht behandelt. Einer der deutlichsten Befunde lautet: Themen, Details und Personen aus den Nahbereichen des politischen und zivilgesellschaftlichen afrikanischen Lebens sind für die Mehrzahl der Abnehmerredaktionen tendenziell von wenig Belang und daher schwer absetzbar. Diese Aussagen treffen jedoch nur zum Teil auf Südafrika zu, dem eine deutlich differenziertere mediale Aufmerksamkeit zuteil wird: In den analysierten Medien wird über das Land am Kap mehr berichtet als über 30 andere afrikanische Länder zusammen.
Die oft kritisierte "K-Berichterstattung" (Kriege, Krisen, Katastrophen, Krankheiten) nimmt zwischen 40 bis 50 Prozent der analysierten Berichte ein. Hohen Nachrichtenwert besitzen vor allem negative Ereignisse, die konfliktreich verlaufen, bei denen große Schäden auftreten und in die mächtige Staaten, Organisationen oder prominente politische Akteure involviert sind. Dabei hat der Bezug zur westlichen Welt- und Werteordnung erhebliche Bedeutung. Externe Ereignisse und Akteure lösen oft Berichterstattungshochs aus (Bundeswehreinsätze, Reisen von Bundeskanzlern oder -präsidenten, US-Präsidenten, UN-Konferenzen etc.). Deutsche Akteure bzw. der Deutschlandbezug spielen dabei eine herausragende Rolle. Der Anteil von externen Akteuren wie UN, Hilfsorganisationen, EU, westlichen Regierungen oder Deutschen beträgt in der Afrika-Berichterstattung erstaunliche 40 Prozent. Während diese externen Akteure überwiegend positiv in Erscheinung treten, werden afrikanische Akteure vor allem negativ dargestellt. In Nebenrollen treten häufig "namenlose afrikanische Massen" in fatalen Lagen oder aussichtslosen Situationen auf.
Interessant ist auch, dass nichtafrikanische Quellen die untersuchte Afrika-Berichterstattung stärker beeinflussen als afrikanische. Sie stellen zwei Drittel aller nachweisbaren Quellen der analysierten Berichterstattung. Dabei stechen deutsche Quellen und die UN quantitativ hervor. Die am häufigsten genutzten Quellen sind dabei andere Medien. Regierungsvertreter (afrikanische, westliche, deutsche) und supranationale Organisationen stellen die zweitwichtigste Quellengruppe. Den drittgrößten Block bilden UN und Hilfsorganisationen. Viele afrikanische Quellengruppen kommen hingegen so gut wie nicht zu Wort. Das betrifft vor allem Vertreter der Zivilgesellschaft wie zum Beispiel Künstler, Musiker, Schriftsteller, Wissenschaftler, Studenten, Lehrer, Schüler, Kirchen- und Religionsvertreter. Die Nachrichtenauswahl und -konstruktion von Afrika-Themen fokussiert zudem auf einen sehr kleinen prominenten Elite-Personenkreis und zumeist auf Politiker der "ersten Reihe" bzw. Persönlichkeiten der Weltpolitik (US-Präsident, UN-Generalsekretär etc.). Der Mangel an in Deutschland (und in den Redaktionen) bekannten Angehörigen der afrikanischen Elite behindert die nötige Personalisierung von Berichterstattung stark und schmälert die Absatzchancen von Beiträgen.
Selbstverständlich gewinnt das Internet als Recherchewerkzeug auch für die Afrika-Berichterstattung an Bedeutung. Es erleichtert und beschleunigt Kommunikation und Arbeitsprozesse enorm. Allerdings gehen mit dieser kommunikativen Hochbeschleunigung auch große Gefahren für den Journalismus einher. Die Digitalisierung macht es möglich, dass einzelne Korrespondenten in einem der logistisch schwierigsten Berichtsgebiete der Welt 1000 Radiobeiträge im Jahr produzieren. Das ist nur möglich, da Internet und Digitalfunk permanent als O-Ton-Lieferanten und Sekundär- und Tertiärquellen anzapfbar sind.
Der Trend zum virtuellen Journalismus und zu Schreibtischrecherchen kann also mit einem Verlust an journalistischer Qualität, Vielfalt und Glaubwürdigkeit sowie mit der Gefahr einer sich verstärkenden selbstreferenziellen Orientierung an anderen Medien einhergehen. Im krassem Gegensatz zum Beschleunigungstrend der Produktionsprozesse in den Abnehmerredaktionen steht jedoch, dass die Ressource Zeit zu einem der wichtigsten Recherche-Faktoren in Afrika gehört. Die Zeitdimensionen dieser Weltregion und die Größe der Berichtsgebiete erlauben nur eine sehr begrenzte Beschleunigung der Berichterstattung.
Die schiere Größe der Berichtsgebiete, die einzelne Korrespondenten zu betreuen haben, zeigt: Ein detailliertes journalistisches Hinschauen auf Geschehnisse in Afrika ist strukturell überhaupt nicht vorgesehen. In ihrer Größe spiegelt sich gleichsam das ganze Ausmaß des Desinteresses vieler Redaktionen wider. Knapp die Hälfte der Korrespondenten betreut alle 48 Länder Subsahara-Afrikas. Im Durchschnitt ist ein Afrika-Korrespondent für 33 Länder zuständig. Und in durchschnittlich ein Drittel der Länder ihrer Berichtsgebiete haben Korrespondenten noch nie einen Fuß gesetzt. Die Inhaltsanalyse zeigt: Weit mehr als die Hälfte aller 48 Länder Subsahara-Afrikas finden so gut wie keinen Eingang in die Berichterstattung.
Die großen Flächenberichtsgebiete und die Vielzahl an Ländern sollten das Reisen zu einer der dringlichsten Aufgaben für Korrespondenten machen. Denn nur dadurch können sie sich zumindest einen groben Überblick über ihre Berichtsgebiete verschaffen, in denen einzelne Länder die Ausdehnung ganz Westeuropas erreichen. Die Augenzeugenschaft, das Beobachten, Recherchieren und Erleben vor Ort sind nicht nur eine Grundvoraussetzung für das Produzieren von Reportagen, sondern vor allem auch für das Bereitstellen von Hintergrundwissen und originären, neuen Themenideen, die nicht einer Schreibtischrecherche bzw. dem Medien-Mainstream entspringen. Häufig ermöglicht erst das Reisen journalistische Unabhängigkeit, Analysefähigkeit, Thematisierungs- und Kontextualisierungskompetenz. Doch auch hier hat sich die Korrespondentenarbeit erheblich verändert. Zwei Drittel der befragten Korrespondenten klagen über teils drastische Einschnitte in ihre Reisebudgets. Mit dem Abschmelzen dieser Budgets korreliert wiederum die Auswahl von Reisezielen - und letztlich auch von Themen. Die Schwerpunkte der Reisetätigkeiten liegen deshalb zuallererst in jenen Ländern, in denen sich die Korrespondentenbüros befinden (Nairobi/Kenia; Johannesburg und Kapstadt/Südafrika). Entferntere Regionen wie Westafrika werden eher vernachlässigt.
Die zunehmende Ausrichtung von Medien an ökonomischen Effizienzkriterien und die gewerbliche Organisation von Journalismus bewirkt auch eine Ökonomisierung journalistischer Rollenbilder: Unter anderem weil Afrika-Berichterstattung in der beschriebenen Dramatisierungsfalle steckt, definiert sich ein Großteil der Korrespondenten als Verkäufer und Makler von Themen oder als redaktionelle Manager. Das Verkaufen und Makeln von Beiträgen nimmt zunehmend mehr Raum ein und ist ein wichtiger Bestandteil von Arbeitsaufgaben und -routinen geworden. Eine schleichende Ökonomisierung journalistischer Handlungsweisen und Rollenbilder findet dabei oft über die Unterordnung an Bedingungen knapper redaktioneller Ressourcen statt (Zeit, Geld, Personal, Publikationsplatz). Die organisatorisch und institutionell auf den Markt zugeschnittenen Rahmenbedingungen definieren den ansonsten großen Bewegungs- und Handlungsspielraum von Afrika-Korrespondenten zunehmend. Das befördert eine Art Dienstleistungsjournalismus, der sich vornehmlich an den Gewünschtheiten des Marktes ausrichtet.
Im Kontrast dazu ist das Rollenbild des investigativen Journalisten unter Afrika-Korrespondenten kaum anzutreffen, auch weil es in der Regel an umfangreiche Ressourcen (Zeit, Budget, Personal, Know-how) sowie an das Interesse und die Kompetenz von Abnehmerredaktionen gebunden ist. Investigativer Journalismus wird von den befragten Korrespondenten zudem oft als Aufgabe einheimischer Journalisten verstanden, weil diese leichteren Zugang zu Geschehnissen, Quellen und Akteuren hätten. Naheliegende Kooperationen zwischen einheimischen Journalisten und Korrespondenten im investigativen Bereich finden so gut wie nicht statt. Selbst in Themensegmenten, zu denen Afrika-Korrespondenten tendenziell leichteren Zugang haben als ihre lokalen afrikanischen Kollegen, wird von ihnen kaum investigative Arbeit im Sinne von Machtkontrolle und -kritik geleistet. Ihre Kritik- und Kontrollfunktion nehmen Korrespondenten auch dort kaum wahr, wo sie eigentlich greifen müsste - bei der Arbeit westlicher Hilfsorganisationen, Militärs, Unternehmen, der UN, von Diplomaten und Botschaften.
Die angerissenen Probleme des Afrika-Journalismus tragen unter anderem dazu bei, dass sich die großen PR-Anstrengungen der Hilfsbranche deutlich in der Afrika-Berichterstattung niederschlagen können. Ihre zielgerichtete und teilweise strategische Kommunikation ist so erfolgreich, dass Hilfsorganisationen und UN etwa jede fünfte inhaltsanalytisch nachweisbare Quelle stellen. Der Erfolg ihrer PR-Arbeit spiegelt sich auch qualitativ deutlich wider: Die analysierten Medienbeiträge bilden UN und Hilfsorganisationen meist positiv ab. Den PR-Anliegen der Hilfsbranche hilft dabei ihr de facto vorhandenes Informations- und Kommunikationsmonopol, da andere Akteure wie wissenschaftliche Einrichtungen, Medien oder Wirtschaftsvertreter zur gesellschaftlichen Debatte über Afrika vergleichsweise wenig beitragen oder von Journalisten kaum wahrgenommen werden. Zwischen Medien und Hilfsbranche bestehen zudem enge symbiotische Verhältnisse. Diese basieren zum Teil auf ähnlich gelagerten inhaltlichen Interessen an Afrika (Krisen, Kriegen, Katastrophen, Krankheiten).
Die Hilfsbranche kann zudem auf eng gewobene gesellschaftliche Netzwerke zurückgreifen, in die sowohl politische Akteure als auch einflussreiche Medienvertreter inkorporiert sind. Die Zusammenarbeit von Redaktionen mit der Hilfsindustrie reicht von der Berichterstattung über eine Vielzahl etablierter Welttage über Pressereisen und Spendensendungen bis hin zu langjährig gepflegten, journalismusethisch bedenklichen Kooperationen und Kampagnen-Journalismus. Dass sich Berichterstattung dabei in Einzelfällen einseitig und absichtsgebunden darstellt und die Berufshygiene sowie journalistische Unabhängigkeitsgebote in Frage stellt, wird für die "gute Sache" in Kauf genommen. Der derzeitige Afrika-Journalismus hat den inhaltlich-thematischen Vorstrukturierungen von UN und Hilfsorganisationen in Afrika wenig eigene Expertise und Deutungsmacht entgegenzusetzen. Häufig übernimmt er lediglich eine Verteilerfunktion, indem er die PR-induzierte Afrika-Agenda der Hilfsbranche kolportiert. Der vorliegende Beitrag schließt daher mit zwölf Vorschlägen, wie die Afrika-Berichterstattung verbessert werden könnte.
1 Vgl. Lutz
Mükke, "Journalisten der Finsternis". Akteure, Strukturen und
Potenziale deutscher Afrika-Berichterstattung, Köln
2009.