Demoskopie
Selbstbeschreibungen in der Gesellschaftsmitte
Wie geht es der Mittelschicht? Um diese Frage zu beantworten, veröffentlichen Meinungsforschungsinstitute wie Infratest dimap, Allensbach oder emnid regelmäßig die Ergebnisse ihrer Befragungen. Daraus finden jedoch meist nur besonders brisante Zahlen den Weg in die Öffentlichkeit. Zum Beispiel solche: Jeder zweite Deutsche hat Angst vor dem sozialen Abstieg; ebenso viele wissen nicht, wo sie in ihrem Leben überhaupt noch einsparen könnten; nur jeder fünfte ehemalige Mittelschichtler schaffte in den vergangenen Jahren den Aufstieg nach oben, weit mehr rutschten dagegen nach unten ab. Das verkündete Infratest dimap vor einem Jahr.
Seit Jahren nimmt auch das Institut für Demoskopie Allensbach (IfD) die Mittelschicht unter die Befragungs-Lupe. In einer Publikation der Herbert Quandt-Stiftung veröffentlichte IfD-Geschäftsführerin Renate Köcher ebenfalls im vergangenen Jahr Ergebnisse, die ein sehr detailliertes Bild ihrer Befindlichkeiten liefert. So fanden die Forscher heraus, dass die Zufriedenheit über die eigenen wirtschaftlichen Verhältnisse in der Mittelschicht seit den 1990-er Jahren signifikant gesunken ist. Während 1996 noch 48 Prozent der Mittelschichtler mit ihrer wirtschaftlichen Lage zufrieden waren, bekundeten dies 2007 nur noch 40 Prozent. Im Gegensatz dazu veränderte sich dieser Wert in der Oberschicht kaum und liegt stabil zwischen 70 Prozent (1996) und 67 Prozent (2007). Zur Begründung führte Köcher an, dass gerade die Mittel- und die Unterschicht massiv von Preissteigerungen für Energie, kommunale Abgaben und zunehmend auch für Lebensmittel getroffen werden. Außerdem schöpfe die sogenannte kalte Progression einen erheblichen Teil der Einkommenszuwächse in der Mittelschicht ab.
Doch die Unzufriedenheiten der Bevölkerung nur aus ihren ökonomischen Verhältnissen abzuleiten, wäre zu kurz gegriffen. So bewertet diese Zielgruppe besonders die Anerkennung ihrer Arbeit als kritisch. 71 Prozent der gesamten Bevölkerung und 73 Prozent der Mittelschicht beklagen eine Unterbewertung von Leistung. Gleichzeitig zweifelt eine Mehrheit der Mittelschicht an der sozialen Durchlässigkeit der Gesellschaft. Dass sozialer Aufstieg grundsätzlich für jeden möglich ist, unabhängig von seiner Herkunft, glaubt gerade mal ein Drittel der Befragten. Die Hälfte ist der Überzeugung, dass vor allem jene Bevölkerungskreise aufsteigen, die ohnehin schon relativ weit oben sind.
In einem Rückzug des Staates sehen 41 Prozent der Befragten überwiegend Chancen, 32 Prozent befürchten in erster Linie negative Folgen. Mit dieser Einschätzung liege die Mittelschicht weitaus näher an den Befragten der oberen- als an jenen der unteren Gesellschaftsschichten, schreibt Köcher.
Als pflichtbewusst beschreiben sich 71 Prozent und als leistungsstark 47 Prozent der Mittelschicht. 68 Prozent glauben allerdings, in erster Linie für den Staat zu arbeiten.