WOHNUNGSWIRTSCHAFT
Eine Million Arbeitsplätze weg
Der Wohnungsbau in Deutschland befindet sich im freien Fall. Eine stärkere Bautätigkeit könnte den Konjunkturmotor wieder anspringen und die Steuerkassen sprudeln lassen. Die neue Koalition geht allerdings nur zaghaft ans Werk.
Die jüngsten Zahlen kamen von der staatlichen KfW-Bankengruppe, die angesichts von nur noch 156.000 fertiggestellten Wohnungen im vergangenen Jahr von einem "historischen Tiefstand" schrieb. 2007 hatte die Zahl der fertiggestellten Wohnungen noch bei 189.000 gelegen. Damit nahm die Wohnungsbautätigkeit innerhalb eines Jahres um rund 17 Prozent ab. Zum Vergleich: 1995 hatte die Zahl der fertiggestellten Wohnungen über 600.000 betragen, 1973 waren es über 800.000 (Bundesrepublik und DDR zusammen).
Im Gleichklang mit dem Niedergang der Bautätigkeit nahm auch die Bedeutung der Branche für Arbeitsplätze und Bruttowertschöpfung ab. Waren 1995 noch 3,2 Millionen Personen im Baugewerbe beschäftigt, so sind es derzeit noch 2,2 Millionen. Der Anteil an der Bruttowertschöpfung sank von sieben Prozent im Jahre 1994 auf 4,2 Prozent im vergangenen Jahr. Dabei wären nach einer Untersuchung des Eduard-Pestel-Insituts in Hannover rund 400.000 neue Wohnungen pro Jahr notwendig, um den Bedarf zu decken.
Das Pestel-Institut macht folgende Rechnung auf: Der klassische Wohnungsbedarf, der demografisch und durch Zuwanderung begründet wird, macht bis 2013 noch rund 250.000 Wohnungen aus, sinkt aber bis 2025 auf 150.00 Einheiten pro Jahr ab. In Westdeutschland sind veraltete Geschosswohnungen aus den 50er bis 70er Jahren in einer Größenordnung von 80.000 Wohnungen pro Jahr durch Neubauten zu ersetzen. Auch die anderen bis 1978 gebauten Häuser und Wohnungen müssten in einer Größenordnung von 150.000 bis 200.000 pro Jahr ersetzt werden. "Der Gesamtbedarf beläuft sich somit auf rund 400.000 Wohnungen pro Jahr. Wenn dies nicht erreicht wird, werden die Deutschen künftig beim Wohnen Abstriche machen müssen", prognostiziert das Institut.
Auch dem Staat entgehen hohe Einnahmen. Würden pro Jahr 400.000 Wohnungen gebaut, könnte dies zu Zusatzeinnahmen in den Staatskassen in Höhe von 33 Milliarden Euro und außerdem zur Schaffung von 1,25 Millionen Arbeitsplätzen führen, berechnete das Pestel-Institut. In der Koalitionsvereinbarung von Union und FDP spielt der Punkt Wohnungsneubau aber nur eine untergeordnete Rolle. In Ballungszentren wird zusätzlicher Wohnungsbau für notwendig gehalten. Die Wohneigentumsquote soll mit einer Vereinfachung der Eigenheimrente erhöht werden.