Eine gelungene Regierungserklärung sollte zumindest wie ein zweitklassiger Orakelspruch sein - wenn schon nicht glaubhaft, dann aber jedenfalls widerspruchsfrei. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ist nach der ersten Regierungserklärung ihrer zweiten Amtszeit dringend zu raten, ihre Zukunft nicht als Pythia zu suchen.
Denn was sie dem deutschen Parlament und den deutschen Bürgerinnen und Bürgern für die vier Jahre der schwarz-gelben Koalition in Aussicht stellte, wimmelte nicht nur von Widersprüchen, es war ein einziger Widerspruch. Selten hat ein deutscher Regierungschef seine Arbeit mit einer derart präzisen, düsteren Analyse der wirtschaftlichen Situation begonnen und den Ernst der Lage so eindrucksvoll beschworen.
Aber noch nie ist es einem deutschen Regierungschef gelungen, den Eindruck des Ernstes und der Düsternis zugleich durch einen Masterplan zu verschärfen, mit dem er beiden - dem Ernst der Lage und der Düsternis - zu Leibe rücken will. Angela Merkel ist das sogar mühelos gelungen.
Mit ihrer Ankündigung verglichen, die Staatsfinanzen zu sanieren, die Steuern zu senken und in die sogenannte Zukunft zu investieren, hätte selbst der Versuch der Quadratur des Kreises das Prädikat "aussichtsreich" verdient. Welche konjunkturelle Belebung sie sich im übrigen von der Erhöhung des Kindergeldes und von der steuerlichen Begünstigung der Erben und der Hoteliers erwartet, muss im Freudengeheul der begünstigten Klientel untergegangen sein.
Die schwarz-gelbe Bundesregierung plant keineswegs den sozialen Kahlschlag, wie von der Opposition befürchtet, sie begnügt sich in den nächsten Jahren mit der nachhaltigen Zerrüttung der öffentlichen Haushalte. Ein vielversprechendes Projekt.