NEUE GESETZE
Der Bundestag hat 2009 mehr als 160 Regelwerke verabschiedet - viele treten zum Jahreswechsel in Kraft
Ein Jahr, zwei Legislaturperioden. Parlamentarisch gliedert sich 2009 in das Ende der 16. Wahlperiode und den Beginn der 17. Obwohl 2009 vier Sitzungswochen weniger stattfanden als 2008 - dieses Jahr waren es 16 - hat der Bundestag mehr Gesetze als im vergangenen Jahr beschlossen. Insgesamt 162 Regelwerke haben die Abgeordneten verabschiedet. Hier eine Auswahl der wichtigsten Neuerungen des Jahres 2009.
WIRTSCHAFT
Das Gesetz mit dem Ziel das Wirtschaftswachstum zu beschleunigen, soll Unternehmen und Bürger in den nächsten vier Jahren um durchschnittlich 8,5 Milliarden Euro entlasten und tritt am 1. Januar 2010 in Kraft. Familien sollen durch eine Anhebung des jährlichen Kinderfreibetrages auf 7.008 Euro entlastet werden. Das monatliche Kindergeld wird jeweils um 20 Euro erhöht - auf 184 für das erste und zweite und auf 190 für das dritte Kind. Für Übernachtungen in Hotels, Pensionen und auf Campingplätzen gilt künftig ein reduzierter Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent. Geändert werden auch bestimmte Elemente der Unternehmenssteuerrefom So wird die sogenannte "Zinsschranke" - der Aufwand für Zinsen bei der Berechnung der Steuerlast - gelockert. Zudem werden in Zukunft Sanierungs-Übernahmen erleichtert. Bei der Gewerbesteuer wird der Teil der Aufwendungen für Immobilienmieten gekürzt. Er kann bei der Ermittlung der Gewerbesteuerlast hinzugerechnet und dabei versteuert werden. Steuererleichterungen sieht das neue Gesetz auch für Erben vor. Für Geschwister, Nichten und Neffen wird es danach einen Stufentarif von 15 bis 43 Prozent bei der Erbschaftssteuer geben. Für Firmenerben wird zudem die Arbeitsplatzauflage für eine Steuerbefreiung gelockert. Der Steuervorteil für reine Biokraftstoffe wird nicht reduziert. Dieser Entlastungssatz soll bis zum Jahr 2011 gelten.
Europa
Mit Inkrafttreten des Vertrages von Lissabon (VvL) am
1. Dezember 2009 ging eine jahrelange Diskussion um die institutionelle Reform einer vergrößerten Europäischen Union zu Ende. Ziel des Vertrages ist es, die Union demokratischer, transparenter und handlungsfähiger zu machen. Dafür wurden sowohl die Rechte des Europäischen Parlaments als auch der nationalen Parlamente gestärkt. Gleichzeitig herrschen mit dem VvL vereinfachte Arbeits- und Abstimmungsregeln in einer Union mit jetzt 27 Mitgliedstaaten. Auch die Beschlussfassung mit qualifizierter Mehrheit wurde auf neue Politikbereiche ausgedehnt. Um künftig global mit einer Stimme sprechen zu können, werden in Zukunft die außenpolitischen Instrumente vereinheitlicht. Auch personell ist die EU jetzt neu aufgestellt. Neben dem Amt eines Hohen Vertreters für die Außen- und Sicherheitspolitik wurde das Amt eines Präsidenten des Europäischen Rates geschaffen. Zudem nennt und bekräftigt der Vertrag von Lissabon mit der Charta der Grundrechte die Werte und Ziele der EU und gibt den Bürgern mehr Mitspracherechte.
Deutschland hatte den Vertrag erst später ratifizieren können, weil das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) am 30. Juni 2009 die dazu verabschiedeten Begleitgesetze in Teilen für verfassungswidrig erklärt hatte. Bundestag und Bundesrat seien nur unzureichende Mitwirkungsrechte eingeräumt worden, rügte es. Nach einer Überarbeitung verabschiedete der Bundestag am 8. September die vier sogenannten Begleitgesetze: Das Integrationsverantwortungsgesetz ( 16/13923), das Gesetz zur Umsetzung der Grundgesetzänderungen für den VvL ( 16/13924) sowie zwei Gesetze zur Zusammenarbeit zwischen Bundestag und Bundesregierung ( 16/13925) und zwischen Bund und Ländern ( 16/13926). Der Bundesrat stimmte den Begleitgesetzen am
18. September zu, so dass der Bundespräsident im Oktober die Ratifikationsurkunde unterschreiben konnte.
Umwelt
Der Bundestag hat 2009 eine Reihe von Neuregelungen im Umweltrecht verabschiedet. Sie sind Teil eines ursprünglich geplanten, dann aber gescheiterten Umweltgesetzbuches. Neben dem Gesetz zur Neuregelung des Naturschutzes und der Landschaftspflege (16/12785, 16/12274) wurde im Juni nach europäischen Vorgaben auch das Gesetz zur Neuregelung des Wasserrechts ( 16/12786, 16/12275) verabschiedet. Zu dem Paket zählt auch das Gesetz zum Schutz vor nichtionisierender Strahlung ( 16/12787). Verschiedene Regelungen in den Bundesländern im Umweltrecht wurden durch ein sogenanntes Rechtsbereinigungsgesetze ( 16/12277) vereinheitlicht.
Das Sammeln und Recyceln von Batterien und Akkus ist bereits seit 1. Dezember neu geregelt und soll damit besser kontrolliert werden ( 16/12227, 16/12721). Hersteller und Importeure von Batterien und Akkus dürfen sie auch in Zukunft nur in Verkehr bringen, wenn sie beim Umweltbundesamt registriert sind und geregelt ist, wie das Recycling organisiert wird. Weiterhin muss jeder Hersteller Batterien, Knopfzellen oder Akkus zurücknehmen und ordnungsgemäß entsorgen. In Zukunft ist auch der Versandhandel verpflichtet, diese Energieträger zurückzunehmen.
Vom September kommenden Jahres an dürfen europaweit keine Standardlampen ab 75 Watt mehr in den Handel gebracht werden. Auch einige Halogenlampen mit einer Stärke von 75 Watt sind von dem Verbot betroffen. Glüh- und Halogenlampen, die bereits im Markt lagern, dürfen jedoch über den Stichtag hinaus verkauft werden.
Im Rahmen der sogenannten Öko-Design-Richtlinie gelten ab 2010 schrittweise neue Regelungen für Haushalts- und Bürogeräte. Dadurch sollen der Stromverbrauch gesenkt und die Energieeffizienz gesteigert werden. Bereits ab Januar darf beispielsweise der Stromverbrauch neuer Haushalts- und Bürogeräte im Stand-by-Modus ein bis zwei Watt nicht mehr überschreiten. Für Kühl- und Gefriergeräte gelten von Juli 2010 an ebenfalls neue Obergrenzen für den Verbrauch. Neue Fernsehgeräte dürfen ab August maximal so viel Strom verbrauchen wie ein zur Zeit verkauftes Durchschnittsgerät.
Gesundheit
Im Zuge der Pflegereform 2008 werden die finanziellen Leistungen der Pflegeversicherung zum 1. Januar 2010 erneut angehoben. Danach erhöhen sich beispielsweise die ambulanten Pflegesachleistungen ebenso wie die teilstationäre Tages- und Nachtpflege in Pflegestufe I von bis zu 420 Euro monatlich auf bis zu 440 Euro, in Pflegestufe II von bis zu 980 Euro monatlich auf bis zu 1.040 Euro und in Pflegestufe III von bis zu 1.470 Euro monatlich auf bis zu 1.510 Euro. Das Pflegegeld wird in Stufe I von monatlich 215 Euro auf 225 Euro angehoben, in Stufe II von monatlich 420 Euro auf 430 Euro und in Stufe III von monatlich 675 Euro auf 685 Euro. Bei der vollstationären Pflege steigt der Betrag von monatlich 1.470 Euro auf 1.510 Euro in Stufe III und in Härtefällen von monatlich 1.750 Euro auf 1.825 Euro.
Bewohner von Pflegeeinrichtungen sollen in Zukunft rechtlich besser abgesichert werden. Bis zum Ende April 2010 müssenbestehende Verträge für Pflegeheime und neue ambulante Wohnformen auf eine neue rechtliche Grundlage gestellt werden. Potenzielle Bewohner müssen künftig vor Vertragsabschluss über das Leistungsangebot und die Ergebnisse der Qualtiätsprüfung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung informiert werden. Kunden von Pflegeheimen können ihren Vertrag zudem einfacher kündigen.
Die allgemeine Versicherungspflichtgrenze in der Gesetzlichen Krankenversicherung steigt für Arbeitnehmer zum 1. Januar von 48.600 Euro im laufenden Jahr auf 49.950 Euro im Jahr 2010. Für familienversicherte Angehörige von Mitgliedern der Gesetzlichen Krankenversicherungen erhöht sich der Grenzwert, bis zu dem die beitragsfreie Familienversicherung erfolgt. Das zulässige Gesamteinkommen steigt von 360 Euro in diesem Jahr auf 365 Euro in 2010, während es für geringfügig Beschäftigte bei einem zulässigen Gesamteinkommen von 400 Euro für die beitragsfreie Familienversicherung bleibt.
Mit diesem im April verabschiedeten Gesetz werden erstmals genetische Untersuchungen sowie der Umgang mit deren Ergebnissen geregelt. Danach dürfen gegenetische Untersuchungen nur mit Einwilligung der zu untersuchenden Person und nur von Ärzten vorgenommen werden. Die vorgeburtliche genetische Untersuchung wird auf rein medizinische Zwecke begrenzt. Pränatale Tests auf Krankheiten, die nach dem 18. Lebensjahr ausbrechen können, sind ebenso verboten wie gendiagnostische Untersuchungen am Arbeitsplatz.
Familie
Der Unterhaltsvorschuss wird für Kleinkinder bis 5 Jahren von 117 auf 133 Euro angehoben und für 6- bis 11-jährige Kinder von 158 auf 180 Euro. Diesen Vorschuss bekommen Alleinerziehende vom Staat vorgestreckt, wenn der andere Elternteil keinen Unterhalt zahlen kann oder will. Der Staat versucht dann, den Unterhalt beim schuldigen Elternteil einzutreiben.
Die Beratung von Frauen, die vor der Frage einer möglichen Spätabtreibung stehen, soll ab dem 1. Januar 2010 verbessert werden. Stellt ein Arzt bei einer vorgeburtlichen Untersuchung fest, dass das Baby wahrscheinlich eine körperliche oder geistige Behinderung haben wird, ist er ab jetzt zu einer gründlichen und ergebnisoffenen Beratung der Schwangeren verpflichtet. Er muss ihr außerdem den Kontakt zu einer Beratungsstelle vermitteln. Damit Frauen ihre Entscheidung nicht überstürzt treffen, müssen zwischen Diagnose und möglicher Abtreibung mindestens drei Tage liegen.
Arbeit
Der Bezug von Kurzarbeitergeld wird ab 1. Januar 2009 auf bis zu 18 Monate verlängert. Damit soll Arbeitgebern weitere Planungssicherheit gegeben werden. Die Verlängerung auf 18 Monate gilt für Betriebe, bei denen ab 2010 Kurzarbeit besteht. Angestellte von Betrieben, die mit der Kurzarbeit bereits 2009 begonnen haben, können die finanzielle Unterstützung 24 Monate erhalten. Die neue gesetzliche Regelung gilt bis 31. Dezember 2010.
Verbraucherschutz
Das Widerrufs- und Rückgaberecht bei Ersteigerungskäufen im Internet werden ab Juni kommenden Jahres neu geregelt. Bislang konnten im Internet ersteigerte Waren innerhalb von vier Wochen zurückgegeben werden. Wie bei anderen Käufen im Internet soll dafür künftig eine Zwei-Wochen-Frist gelten. Um Kunden eine höhere Rechtssicherheit zu geben, wird die sogenannte Muster-Widerrufsbelehrung den Rang eines Gesetzes erhalten, um sie "gerichtssicher" zu machen.
Schuldner sollen bei Kontenpfändungen künftig besser geschützt werden. Mit der Reform, die am 1. Juli 2010 in Kraft tritt, soll verhindert werden, dass das Girokonto von Schuldnern blockiert oder gekündigt werden kann und der Schuldner dadurch vom bargeldlosen Verkehr abgeschnitten wird. Durch die Änderung der Zivilprozessordnung wird künftig die Einrichtung eines Pfändungsschutzkontos ermöglicht, auf dem im Fall einer Pfändung automatisch ein Pfand in Höhe des Freibetrags besteht.
Innen
Neu geregelt wurde das Scoring-Verfahren. Das Verfahren wird verwendet, um die Kreditwürdigkeit, die Zinskonditionen und die Versicherungsprämie bestimmter Personen zu errechnen. Mit dem neuen Gesetz ( 16/10529) wird das Verfahren transparenter. Die Rechte der Betroffenen werden insbesondere durch weitere Informations- und Auskunftsrechte, gestärkt.
Die ursprünglich von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) geplante Einführung eines Datenschutzaudits wurde im Rahmen der parlamentarischen Beratungen verworfen - ebenso wie die in einem Regierungsentwurf ( 16/12011) geplante Abschaffung des sogenannten Listenprivilegs. Listenmäßig erfasste Daten wie etwa Name, Beruf, Adresse, Geburtsjahr oder Titel sollen ohne Einwilligung weitergegeben werden dürfen, sofern - und das ist neu - die Betroffenen über die Herkunft der Angaben ihrer Daten in Zukunft informiert werden.
Zivildienstleistende werden ab dem 1. Januar früher über ihre Rechte und Pflichten informiert: Ein eintägiger Einführungslehrgang muss nach der neuen Regelung spätestens bis zur fünften Woche des Zivildienstes stattfinden. Dort werden die angehenden Zivis auch über ihnen zustehende Geld- und Sachbezüge aufgeklärt.
Dokumentation der parlamentarischen Vorgänge
unter: http://dip21.bundestag.btg/dip21.web/bt