Es war eine kleine und heimliche Vereidigung, die sich da am vergangenen Dienstag im Warschauer Präsidentenpalais abspielte. Journalisten mussten draußen bleiben und durften nur die in den Hof rauschenden Limousinen abfilmen. Drinnen überreichte Präsident Lech Kaczynski einem alten und ungeliebten Bekannten die Ernennungsurkunde zum Vizepremierminister und Chef des Landwirtschaftsressorts: Andrzej Lepper. Es ist der gleiche Andrzej Lepper, der vor einigen Wochen unter viel Lärm und gegenseitigen Beschuldigungen von Premierminister Jaroslaw Kaczynski aus der Regierung entlassen worden war (wir berichteten). Durch Leppers Ausscheiden aus der Koalition hatte diese ihre Parlamentsmehrheit verloren. Neuwahlen waren wahrscheinlich geworden, doch die hätten sowohl der größten Regierungspartei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS), als auch dem kleinsten Koalitionspartner, der katholisch-nationalistischen "Liga der Polnischen Familien" empfindliche Stimmenverluste eingebracht. Die "Liga" wäre nach ihren Umfragewerten zu schließen sogar an der Fünfprozentklausel gescheitert. Da PiS die Tendenz hat, Abgeordnete von Regierungsparteien durch Postengeschacher von ihrer Partei abzuwerben und unbotmäßige Politiker unter Druck zu setzen, blieb die Polnische Bauernpartei auf Distanz zur Koalition. Den Bauernpolitikern war das Risiko zu groß, das damit verbunden gewesen wäre, Premier Kaczynski zu einer Parlamentsmehrheit ohne Leppers radikaler "Selbstverteidigung" zu verhelfen. Kaczynski stand vor der Alternative: Neuwahlen oder eine Einigung mit der ungeliebten Lepper-Partei.
Am 17. Oktober kam es zur Neuauflage der alten Koalition, weil PiS und die "Liga" Neuwahlen fürchten müssen und es Lepper offensichtlich gelang, mehr Zugeständnisse zu erhalten als vor seinem Abgang. Welche, darüber schweigen Koalitionsvertrag und Koalitionspolitiker. Die PiS nahe stehende Tageszeitung "Rzeczpospolita" enthüllte inzwischen, Lepper verlange eine Anhebung des Arbeitslosengeldes auf umgerechnet 200 Euro pro Monat, was den Staat insgesamt 17 Milliarden Zloty (mehr als 4 Milliarden Euro) kosten und das Budget sprengen würde. Darüber hinaus, so argumentieren Wirtschaftsexperten, müsste es zu einem sprunghaften Anstieg der Arbeitslosenzahlen führen, denn damit bliebe jeder finanzielle Anreiz zur Arbeitsaufnahme auf der Strecke. Doch nicht nur der Preis, den Premier Kaczynski an die "Selbstverteidigung" entrichten muss, ist hoch. Weitere Zugeständnisse sind fällig - an die Fraktion jener Abtrünnigen aus der "Liga" und der "Selbstverteidigung", ohne die auch die Dreierkoalition keine Parlamentsmehrheit hätte. Aus Furcht vor Neuwahlen muss PiS nun wieder all das zusammenleimen, was die Partei in den vergangenen Monaten bei anderen Parteien an Spaltungen und Konflikten vom Zaun gebrochen hat. Stabile Verhältnisse, so fürchten die meisten Beobachter in Warschau, wird auch das nicht geben.
Die größte Oppositionspartei, die liberale "Bürgerplattform", sieht dem Treiben bisher abwartend zu. Bei den anstehenden Kommunalwahlen koaliert sie mit der Polnischen Bauernpartei, aber auch mit Listen von PiS. Nach Neuwahlen wäre selbst eine linksliberale Koalition mit der postkommunistischen Linken möglich, eine Konstellation, die noch vor wenigen Jahren undenkbar gewesen wäre. Doch die Art und Weise, wie PiS die Macht ausübt, hat fast alle anderen Parteien gegen Jaroslaw Kaczynski und seine Mannen eingenommen.