In der Maske im Tiefgeschoss des Jakob-Kaiser-Hauses flimmert eine Gerichtsshow über den Bildschirm. Die Visagistin lenkt sich ab. Vor wenigen Minuten hat sie den Sozialdemokraten Peter Friedrich "fernsehtauglich" geschminkt. Das gleißende Scheinwerferlicht im Studio des Parlamentsfernsehens nebenan ist unerbittlich. Friedrich streitet sich dort mit seinem Parlamentskollegen von Die Linke, Frank Spieth, über die Gesundheitsreform, den "Blockbus-ter" der Legislaturperiode sozusagen. Anschließend geht es weiter mit dem "Foto-Shooting" für das "Parlamentarische Profil". Das Bild zeigt einen Mann mit strenger Designerbrille und freundlichem Auftreten.
Friedrich, Jahrgang 1972, Vorsitzender der Jungen Abgeordneten seiner Fraktion, ist bereits gefordert wie ein langjähriger Parlamentarier. Dabei liegt erst ein Jahr Deutscher Bundestag hinter dem Diplom-Verwaltungswissenschaftler vom Bodensee mit Konstanzer Wahlkreis; ein Jahr voller neuer Eindrücke, intensiver Einarbeitung in neue Themen, harter Auseinandersetzungen in der Sache und vielfältigstem Austausch mit den Menschen im Wahlkreis.
Das Tanzen auf vielen Hochzeiten ist gerade für einen jungen Abgeordneten eine Herausforderung: Gesundheitsreform, Privatisierung der Bahn, Umweltfragen, Föderalismusreform, eine zukunftsgerechte und nachhaltige Politik. Da muss man einiges an Fähigkeiten mitbringen. "Ich habe eine schnelle Auffassungsgabe, ich entscheide gerne und ich bin ziemlich resistent gegen Zynismus", sagt Friedrich über sich selbst. Und ergänzt: "Ich polarisiere oft und gerne. Das kann Stärke sein, ist aber meistens Schwäche."
Eine Frage drängt, wenn es um die "Blockbuster-Reform" geht: Ist der solidarische Ausgleich zwischen arm und reich, krank und gesund, der den Sozialdemokraten so wichtig ist, in der Gesundheitsreform gelungen? "Ja und nein. Es ist richtig, dass wir in Zukunft nicht mehr um bis zu vier Prozent unterschiedliche Beitragssätze haben. Wie gut der Ausgleich zwischen krank und gesund ausfallen wird, wissen wir im Moment noch nicht, aber immerhin bekommen wir ihn", so das Mitglied des Gesundheitsausschusses. Für problematisch hält er, "dass sich steigende Kosten in Zukunft in dem Zusatzbeitrag niederschlagen, der vom Versicherten allein zu bestreiten ist. Das heißt, bei den Kosten für den medizinischen Fortschritt bleiben die Arbeitgeber außen vor. Das ist ungerecht", kritisiert Friedrich.
Sein Blick auf Politik ist realistisch, seine Zwischenbilanz durchwachsen: "Im Großen und Ganzen sind meine Erwartungen erfüllt. Wenn man sich in eine Sache wirklich vertieft, können Veränderungen erreicht werden, dann bewirke ich etwas. Das Problem ist aber die Vielzahl der Baustellen, die man gleichzeitig zu beackern hat, sowohl in Berlin als auch im Wahlkreis. Dadurch bleibt dann eben nicht die Zeit zur Vertiefung, die es braucht. Deshalb gilt es täglich, Prioritätsentscheidungen zu treffen und auch durchzuhalten. Wir sollten die Wirkung unserer Gesetze besser analysieren. Das ist nicht gut genug entwi-ckelt."
Friedrich sitzt nicht nur im Gesundheitsausschuss, sondern auch als stellvertretendes Mitglied im Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit. Besser könnte die Brücke zum Wahlkreis nicht geschlagen werden: Er glaubt, dass Umwelt- und Naturschutz wahrscheinlich in keiner anderen Region Deutschlands so wichtig sind wie am Bodensee. Jetzt steht dort hoher Besuch an. In wenigen Tagen wird Friedrich Bundesumweltminister Sigmar Gabriel im Wahlkreis begrüßen. Das thematisch "heiße Eisen", um das es auch gehen wird, liefert der Schweizer Nachbar. Es gibt Pläne seitens der Schweiz, unmittelbar an der Grenze ein Atomendlager zu bauen. "Das wird eine Rolle spielen wie das Energiethema insgesamt", unterstreicht Friedrich. "Wir sind mitten in der Energiewende, und es gilt, die Auseinandersetzung mit der verbohrten Pro-Atom-Position der Landesregierung Baden-Württembergs zu führen." Der Parlamentarier ist Mitglied in der Begleitkommission Atomendlager der Schweiz (BEKO), die das Bundesumweltministerium zur kritischen Begleitung der Suche nach einem Endlagerstandort eingerichtet hat.
Das Problem macht deutlich, was es heißt, einen Wahlkreis in einer Grenzregion zu vertreten - und es zeigt, dass es neben den Berliner Aktivitäten wesentliche Aktionen und interessante Aspekte im Wahlkreis gibt, die das Bild über einen Abgeordneten und sein Engagement abrunden. Wer weiß schon, dass ein Parlamentarier wie Peter Friedrich ausbildet? Natürlich nicht zum Politiker, sondern zur Kauffrau für Bürokommunikation, exakt nach dem Berufsbildungsplan der Industrie- und Handelskammer. Friedrich hält es für "unheimlich wichtig, selbst diese Erfahrungen mit Ausbildung zu machen" und so bei den Betrieben seiner Region auch glaubwürdig mitreden und für mehr Ausbildungsplätze werben zu können.
Auch Friedrich selbst ist von Lerneifer getrieben, war mehrfach "Abgeordneter im Praktikum", wie er es nennt. Im Sommer hat er an sechs verschiedenen Stationen vom Pflegeheim bis zum Campingplatz angeheuert. "Mir geht es darum, den Arbeitsalltag verschiedener Berufe kennen zu lernen. Bei jeder Station habe ich Anregungen für meine Arbeit als Abgeordneter mitgenommen - etwa wo wir Bürokratie abbauen können, wie unsere Gesetze wirken, auch wo wir noch etwas regeln müssen."
Wenn man wie Friedrich das Mandat ernst nimmt, ist es "eine schwere Aufgabe, die viel Einsatz erfordert". Aber: "Ich empfinde es immer noch als Ehre, eine solche Aufgabe bearbeiten zu dürfen."