Der bekannte Fernsehjournalist und Autor zahlreicher Reiseberichte über die Krisenherde der Welt, Peter Scholl-Latour, hat sich mit einem neuen Buch zurückgemeldet. Ganz so neu ist es jedoch nicht, denn große Teile finden sich bereits in seinen früheren Veröffentlichungen. Wie immer weiß der Autor von Gefahren zu berichten, die nur er alleine bemerkt.
Die aktuellen Hauptfeinde des Weltfriedens sind derzeit die NATO und die USA. Anders kann man die das ganze Buch wie einen roten Faden durchziehende scharfe Kritik an der US-amerikanischen Politik und dem transatlantischen Bündnis nicht interpretieren. Deutschland kommt auch nicht sehr viel besser weg, denn es habe sich nach der Wiedervereinigung nicht zu einem souveränen Staat entwickelt, sondern unterstütze Washington bei seinem ominösen "Drang nach Osten". Anstatt sich um die Weltpolitik und die Bundeswehr zu kümmern, suchten die Volksvertreter lieber das "Heil des Vaterlandes" in "endlosen Debatten um die kaum noch verständlichen Varianten der Gesundheitsreform".
Die Mitgliedschaft der osteuropäischen Länder in der NATO und der Europäischen Union betrachtet Scholl-Latour als Angriffsinstrument der Vereinigten Staaten gegen Russland. Als einziger Beleg für diese These dient ihm das Buch des früheren nationalen Sicherheitsberaters, Zbigniew Brzezinski, der einen persönlichen Feldzug gegen Russland führt. Für Scholl-Latour bedeutet dieses Buch eine Offenbarung der wahren Absichten der US-Politik, aus dem er wie aus der Bibel zitiert. Danach hat ein professioneller "Wanderzirkus von jungen Agitatoren", ausgestattet mit den Geldern internationaler Stiftungen, die demokratischen Revolutionen im Osten organisiert. Im Hintergrund zog angeblich die CIA die Fäden. Beweise für diese kühne Behauptung sucht man in Scholl-Latours Buch vergeblich.
Selbst die EU-Osterweiterung stellt der weitgereiste Autor als eine Bedrohung für Russland dar. Dabei sehen die Russen die Sache ganz anders - abgesehen natürlich von den beiden ehemaligen Mitgliedern der Zentralkomitees der KPdSU, die der Fernsehjournalist interviewte. Genüsslich erwähnt Scholl-Latour den vermeintlich "wachsenden Zorn der Russen", schließlich passt dies so schön in sein Konzept. Wiederum vermisst der Leser Belege.
Insgesamt sind Scholl-Latours Allgemeingültigkeit beanspruchende Behauptungen ärgerlich, die er "den Russen" in den Mund legt, ohne dass sie sich wehren können. Hinzu kommt, dass seine Ressentiments die Russen nicht wirklich gut aussehen lassen, schließlich seien sie für die parlamentarischen und marktwirtschaftlichen Systeme "nun einmal nicht geschaffen". Da entspreche Putins "zunehmend autoritärer Regierungsstil" dem "instinktiven Bedürfnis der Massen" schon eher.
Daneben kritisiert der Autor die Politik der Europäer gegenüber China und Russland. Mit seiner Empfehlung, die wirtschaftlichen Beziehungen zu den beiden Staaten zu vertiefen, rennt er bei der Bundesregierung offene Türen ein. Scholl-Latour will jedoch mehr: Er fordert Europa auf, endlich damit aufzuhören, bei den Chinesen auf die "Respektierung demokratischen Wohlverhaltens zu pochen". Ihr Fett bekommen auch "gewissen Kreise" ab, die es wagen, Peking "wegen der Niederschlagung einer Studentenrevolte vor siebzehn Jahren an den Pranger" zu stellen und mit Sanktionen zu belegen. Frei nach dem Motto: Was kümmern uns die Grund- und Menschrechte. Weg mit dieser werteorientierten Politik!
Es gibt jedoch auch Weltgegenden, die Scholl-Latour besser kennt. Dies kommt seinen Ausführungen zweifellos zugute: So plädiert der Islamkenner für den Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan. Denn "weder der Krieg im Irak noch der Feldzug in Afghanistan" könnten "von der westlichen Allianz gewonnen werden". Verantwortlich für diese Niederlage macht er den "unverzeihlichen strategischen Dilettantismus" der US-Politik im Mittleren Osten. Wo er Recht hat, hat er Recht.
Peter Scholl-Latour: Russland im Zangengriff. Putins Imperium zwischen Nato, China und Islam. Propyläen Verlag, Berlin 2006; 425 S., 24,90 Euro.