Mit dem Jahreswechsel kam das neue Geld: Noch waren nicht alle Raketen abgeschossen, da standen die Deutschen in der Nacht zum 1. Januar 2002 schon an den Bankautomaten der Republik Schlange, um das neue Geld in Empfang zu nehmen. Viele der rund 80 Millionen Bundesbürger hielten ihn damals, vor fünf Jahren, zum ersten Mal in den Händen: den Euro. Zwar war er zu dem Zeitpunkt bereits seit drei Jahren als Buchgeld de facto gemeinsame europäische Währung gewesen, doch erst zum 1. Januar 2002 kam der Euro als Bargeld in Umlauf. In zwölf Staaten der Europäischen Union löste er damit endgültig die bisherigen nationalen Währungen ab.
"Das ist ein Jahrhundertereignis", jubelte der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU), nachdem der Bundestag am 23. April 1998 für die Einführung der dritten Stufe der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion gestimmt hatte. Mit großer Mehrheit und nur gegen die Stimmen der PDS hatte das deutsche Parlament damit endgültig den Weg frei gemacht für den Euro. "Die Verwirklichung der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion ist für uns Deutsche wie auch für die Europäer die wichtigste Entscheidung seit der Wiedervereinigung", sagte Kohl in der fast ganztägigen Debatte im Bundestag. Gregor Gysi jedoch kritisierte die Währungsunion heftig: "Man kann einen Kontinent nicht über Geld einen", so der Chef der PDS-Gruppe im Bundestag. Die Europäische Union sei nun ein Europa für Banken und Rüstungskonzerne, aber keins für kleine Unternehmen, Arbeitnehmer oder Gewerkschaften.
Joschka Fischer (Bündnis 90/Die Grünen) betonte die politische Bedeutung des Euro: Es gehe darum zu begreifen, "dass unsere nationalen Interessen immer nur durch europäische Interessen definiert werden". Der Euro sei deshalb ein politisches Projekt. Allerdings eines mit Legitimitätsproblemen, warf Gerhard Schröder ein: Die D-Mark sei nicht irgendein Zahlungsmittel, so der damalige SPD-Kanzlerkandidat. Sie sei für die Deutschen im Westen das Symbol für den Wiederaufstieg des Landes, für die Menschen im Osten ein Zeichen für die Teilhabe an Freiheit und Wohlstand. "Wer die D-Mark aufgibt, braucht nicht nur gute Gründe, er muss sie auch vermitteln können", kritisierte Schröder mit Blick auf die Zweifel, mit denen die Mehrheit der Deutschen der neuen europäischen Gemeinschaftswährung entgegensah. Dabei war der Kanzlerkandidat an dieser Stimmung nicht unbeteiligt: Schließlich hatte er selbst den Euro wenige Wochen zuvor in einem Zeitungsinterview "als kränkelnde Frühgeburt" bezeichnet und war daraufhin von Kohl des "billigen Populismus" und der "Angstmacherei" bezichtigt worden.
Doch Ängste und Skepsis der Bevölkerung ließen sich nicht einfach fortwischen. Sogar zwei Klagen gegen die Wirtschafts- und Währungsunion waren im Vorfeld der Parlamentsentscheidung beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe eingegangen. Das Ziel: Die Einführung des Euro in letzter Minute zu kippen. Die Währung sei nicht stabil, eine "Weichwährung", die zudem niemals dem Dollar Konkurrenz machen könne, so die Kritik der Euro-Gegner. Die Klagen scheiterten zwar schließlich, doch die öffentliche Diskussion hatten sie dennoch angeheizt. Alle Unkenrufe schienen sich dann auch sogleich zu bestätigen, als die neue Währung als Buchgeld am 1. Januar 1999 eingeführt wurde: Vom ersten Tag an verlor der Euro an Wert, fiel bis zum Oktober 2000 auf ein Rekord-Tief von 0,82 Dollar. Auch sonst kein leichter Start für die europäische Währung: Die Terroranschläge vom 11. September hatten viele Menschen stark verunsichert, die Wirtschaft bewegte sich am Rande einer Rezession. Mit dem Abschied von der D-Mark fürchteten viele Bundesbürger einen weiteren Halt zu verlieren und sich wirtschaftlich weiter zu verschlechtern. Ausdruck dieser Ängste: Die Teuro-Diskussion. Der Euro habe die Preise nach oben getrieben, manchmal sogar verdoppelt, so die bis heute verbreitete Meinung in der Bevölkerung. Auch wenn zahlreiche Studien belegen, dass der Euro gemessen an den offiziellen Inflationsraten keinen Teuerungsschub in Deutschland ausgelöst hat, sind heute noch immer 93 Prozent der Bundesbürger vom Gegenteil überzeugt.
Doch tatsächlich ist der Euro fünf Jahre nach seiner Einführung durchaus ein Gewinn: Volkswirte und Wirtschaftswissenschaftler bewerten die Gemeinschaftswährung als Erfolgsgeschichte. Der Euro sei stabil und habe sich längst entgegen aller Befürchtungen als zweitwichtigste Währung der Welt etabliert, so die Meinung der Experten. Mehr noch: Der Euro mache dem Dollar ernsthaft Konkurrenz.